Der verbotene Schlüssel
schauerliches, skorpionhaftes Mischwesen, das Theo dereinst belebt hatte. Medusa wollte den Tod ihrer Zwillingsschwester Euryale an ihm und seinen Freunden rächen. ›Bringt euch in Sicherheit!‹, rief Thaurin und stürmte mit gesenktem Gehörn auf die Skorpionfrau zu. Arki und Lykos sprangen ihm an die Seite.
Derweil die Mekanisier kämpften, fühlte sich Erik unvermittelt von Theo aus dem Raum gezogen. Sie flohen ins Labyrinth der Zeit. Überall waren ein stählernes Knirschen und Knarzen zu vernehmen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass Mekanis wieder in Gang kommen wollte, es wegen der unzulänglichen Reparatur nur nicht richtig vermochte.
Unvermittelt erschien hinter ihnen die Pandine. Der Junge zog Erik tiefer ins Labyrinth. Medusa spritzte mit ihrem Gift nach ihnen und traf den Goldschmied. Das Sekret tötete ihn zwar nicht, wie Theo im ersten Moment befürchtete, doch es lähmte ihn binnen weniger Augenblicke. So wäre er eine leichte Beute für die Skorpionfrau gewesen. Um ihn zu retten, lockte Theo Medusa in einen anderen Gang. Kurz darauf stülpten sich die Welten aufs Neue um.
Erik hat Theo nie wieder gesehen.«
Rund um den Ziffernblatttisch richteten sich die Augen auf Sophias Freund.
»Was ist passiert? Hast du das Ungeziefer erledigt?«, fragte Lotta.
»Nein, hat er nicht«, sagte Sophia. »Mir wollte sie auch das Licht ausknipsen.«
»Ich habe Medusa in einen engen Gang gelockt, in dem sie stecken blieb, und bin geflohen. Offensichtlich konnte sie sich später befreien und ist darauf genauso wie ich ein weiteres Mal in Mekanis erstarrt.«
Sophia grinste. »Medusa benützt übrigens das gleiche Haarfärbemittel wie du, Tante Lotta.«
Die verzog nur einen Mundwinkel. »Reizend. Ich hoffe, das ist das Einzige, was wir gemeinsam haben.«
»Wie seid ihr Kollins in den Besitz des Fabergé-Eies gekommen?«, erkundigte sich Laura.
»Das hat mir mein Großvater erzählt«, antwortete Laura. »Nach seiner Rückkehr aus Mekanis ging Erik zu seinem Chef Fabergé und sagte ihm, das Uhrwerk leide unter einer Macke, die für die Gesundheit des Zaren und seiner Familie ungemein gefährlich sei. Vielleicht hat er auch andere Worte benutzt, Fabergé hat sich jedenfalls fast in die Hose gemacht vor Angst – damals waren ja viele ziemlich abergläubisch. Auf alle Fälle erhoffte sich der geschäftstüchtige Carl Peter durch die Zarenfamilie den großen Durchbruch für seine Firma. Deshalb hat er das Zwielicht-Ei samt seinem, wie er sagte, ›verhexten Inhalt‹ Erik für einen symbolischen Betrag von einem Rubel überlassen und ihn gleich mit einem neuen Projekt beauftragt.«
Sophia bemerkte, wie Theo sich ihr zuwandte und sie intensiv ansah. »Ja?«, fragte sie müde.
»Jetzt kennst du meine ganze Geschichte. Ich denke, wir sind uns einig, dass Oros ins Weltenei verbannt werden muss.«
Sie gähnte. »Ihm die Gurgel umzudrehen, wäre mir lieber.«
»Wenn du einen Weg kennst, ihn zu töten – ich habe in zweitausend Jahren keinen gefunden. Das Problem ist nur, wir haben den kosmischen Mechanismus und er will ihn haben. Deshalb wird er uns jagen bis ans Ende der Welt. Ich sehe nur einen Weg, aus diesem Dilemma herauszukommen.«
Sophia schluckte. »Du meinst den Irrsinn, den du im Tal der Gebeine vorgeschlagen hast? Uns für die Reparatur des Nürnberger Eies einen genialen Uhrmacher suchen …«
»Den haben wir ja jetzt.« Theo deutete auf Nico.
»Und du willst Oros echt mit dem Weltenei nach Mekanis locken und es ohne ihn, aber mit der Uhr wieder verlassen?«
»Genau das war der Plan.«
Lotta gab einen keuchenden Laut von sich. »Ihr seid verrückt, Kinder. Das werdet ihr schön bleiben lassen.«
Sophia rieb sich die Augen. In ihrem tiefsten Innern stimmte sie ihrem Freund zu. Es gab keinen anderen Weg. »Opa Ole hat Theos Geschichte als den Schlüssel zu allem beschrieben. Ich habe das Gefühl, er wollte mich damit auf etwas Bestimmtes hinweisen. Vielleicht verrät sie uns ja wirklich, wie wir Oros endgültig oder wenigstens für die nächsten Jahrtausende loswerden können. Mir schwirrt von dem, was Theo uns erzählt hat, nur so sehr der Kopf …« Sie schüttelte sich. »Ich glaube, ich brauche erst mal eine Mütze voll Schlaf.«
Laura erhob sich ächzend aus dem Sofa. »Ich mache die Betten für euch fertig. Sophia und Lotta bekommen das Gästezimmer.«
»Und Theo schläft hier neben dem Ziffernblatt«, beschloss der Herr des Hauses. Nico lächelte schelmisch. »Sei unbesorgt, wenn es
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