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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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der Brust an aufwärts ist sie menschlich, genauer gesagt weiblich. Diese Ungeheuer sind so groß wie Stiere. Ihre Scheren können dir den Kopf abschneiden, und ihr Gift lähmt dich, sodass du nicht mehr weglaufen kannst. Wenn es eine andere Maschine trifft, dann löst die sich in ihre Einzelteile auf.«
    Sophia schluckte. »Ach so. Alles klar.«
    »Nachdem wir das geklärt haben, würde ich gerne mehr von dem Mann mit dem Blindenstab erfahren.«
    »Stock.«
    »Wie bitte?«
    »Blinden stock .«
    Theo blieb stehen und sah sie mit ernster Miene an. »Wann und wo bist du ihm begegnet?«
    Weil Wände, Boden und Decke keine Anstalten machten, die zwei überstürzt zu zermalmen, stellte Sophia ihren Karton auf den Fußboden und streifte den Rucksack ab. Dann berichtete sie von dem Vorfall in der Bergstraße. Nachdem alles erzählt war, schwiegen beide einen Moment.
    Theo schien über das Gehörte nachzudenken. Schließlich schüttelte er traurig den Kopf.
    »Dein Großvater war ein kluger und tapferer Mann. Es tut mir leid um ihn und um dich. Du bist dem Herrscher der Zeit fast in die Arme gelaufen. Es grenzt an ein Wunder, dass er dich diesmal noch nicht erwischt hat.«
    »Diesmal?« Sophia schauderte.
    Er nickte ernst. »Der Stundenwächter wird dich erbarmungslos jagen.«
    Ihr wurde schwindlig. »Meinst du … er kommt hierher, um mich …?«
    Theo nahm erneut ihre Hand. »Nicht aufregen, schönes Mädchen. Das Labyrinth der Zeit ist zwar so eine Art Verlies, in das Oros jeden schickt, der sein Reich betritt – sofern er davon Wind bekommt –, aber er selbst ist schon lange nicht mehr hierhergekommen.«
    »Gibt es einen besonderen Grund dafür?«
    »Davon gehe ich aus. Es ist seine Achillesferse, sein – wie nennt ihr das? – Handikap? «
    »Eine Behinderung, meinst du?«
    »So etwas Ähnliches. Vermutlich hat er deshalb schon manchen Fluch ausgestoßen. Vor ihm verneigen sich nämlich gleichsam alle Uhren – sie bleiben genau sieben Tage lang stehen. Und wie ich bereits sagte, dürfte das Labyrinth auch eine Art Zeitmesser sein.«
    Sophia dachte mit Schaudern an das unheimliche Wiedererwachen sämtlicher Uhren in der Wohnung ihres Großvaters. »Seit wann steckst du hier fest?«
    »Mit Unterbrechungen seit dem Jahr 51 vor Christus. Jedenfalls hat Ole mir das gesagt.«
    Sie deutete beiläufig in den Karton. »Er hat mir dieses schriftliche Vermächtnis hinterlassen. Das merkwürdigste Buch der Welt  – so nannte er seine Aufzeichnungen. Opa Ole war der Überzeugung, in dieser Geschichte verberge sich die Lösung des Rätsels. Leider ist es ihm nicht gelungen, Oros dahin zurückzuschicken, wo er hergekommen ist. Er scheint echt geglaubt zu haben, ich könnte das tun. Irre, was?«
    Theo nickte ernst. »›Bist du nicht unschuldig wie ein Kind,so lass ab von diesem Buch.‹« Seine Stimme war nur ein Murmeln.
    Sophia fröstelte. Sie zeigte wieder auf das Notizbuch in der Kiste. »Sprichst du etwa davon? «
    Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein. Ich rede vom Buch der Zeit.«
    »Etwa dasselbe Buch, das im Mythos von Ys erwähnt wird? Diese goldene Scheibe mit den geheimen Zeichen drauf?«
    »Ja. Dein Großvater könnte recht haben. Vielleicht besitze ich den Schlüssel, um Oros für immer in den Tartaros zu sperren, nur …«
    » Wo willst du ihn einbuchten?«
    »Ins Schattenreich.«
    Sophia sah Theo nur verständnislos an.
    »Das habe ich nur sinnbildlich gemeint«, sagte er schmunzelnd. »Der Tartaros war bei den Griechen ein finsterer Abgrund, noch tiefer gelegen als die Unterwelt. Die Götter des Olymps haben ihre Feinde dort hineingestürzt.«
    »Wenn er meine Eltern auf dem Gewissen hat, gehört er da auch hin. Ich hatte dich unterbrochen. Was wolltest du sagen?«
    »Dass ich nicht weiß, wie man Oros die Ketten anlegt. Oder besser ausgedrückt: Die Lösung des Rätsels mag zwar in meiner Geschichte versteckt sein, aber ich kann sie leider nicht deuten.«
    »Dann erzähle sie mir. Opa Ole meinte, alles habe 54 vor Christus begonnen.«
    »Damals haben wir die Jahre noch anders gezählt.«
    »Also, wie ein zweitausendjähriger Jüngling siehst du nicht gerade aus.« Sophia biss sich auf die Unterlippe. Sie konnte nicht fassen, was für ein dämliches Zeug sie da schwatzte. Das passierte ihr meistens in Gegenwart von Jungen, die sie süß fand.
    Er grinste. »Wir Außenweltler werden in Mekanis nicht älter. Zumindest nicht körperlich.« Theo deutete den Gang hinab. »Ich möchte dir etwas zeigen, bevor

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