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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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verdammten Wände.«
    »Es sind bewegliche Wände.«
    »Ja eben! Wie in einer Schrottpresse.«
    »Was? Das komische Wort hat mein Freund Nullus erfunden. Woher kennst du …?«
    »Theo!«, unterbrach sie ihn. Ihre Hand klammerte sich ängstlich an die seine. »Wir werden gleich zerdrückt. Tu endlich was!«
    Sophias Rucksack knirschte, als die heranrückende Wand ihn zusammendrückte. Verzweifelt blickte sie sich um. Der Schweiß rann ihr in Strömen über den Rücken, und ihr wild hämmerndes Herz schien ihr aus der Brust springen zu wollen. War der Junge mit den hypnotischen Augen am Ende nur ein Trugbild wie offenbar all die anderen Gaukeleien an diesem unheimlichen Ort? Hatte der Unaussprechliche sie in eine Falle gelockt …?
    »Jetzt!«, sagte Theo und riss an ihrem Arm.
    Sophia stolperte in einen breiten Querstollen. Der Durchgang musste sich geöffnet haben, während sie abgelenkt war. Und fast ebenso schnell schloss er sich wieder. Sie blinzelte benommen. »Woher hast du das gewusst?«
    »Dieses Labyrinth ist wie ein großes Uhrwerk. Wer seine Bewegungen kennt, weiß auch, wo sich der nächste Ausweg öffnet. Man darf sich nur nicht irren. Es verzeiht keine Fehler.«
    Fand er das etwa witzig? Sophia starrte in sein grinsendes Gesicht und verlor fast die Fassung. »Wie kommt es, dass du nie zerquetscht worden bist?«
    »Mir ging es wie dir. Jemand hat mich am Anfang gerettet. Er war blind und hat mich die Sprache des Labyrinths zu lesen gelehrt.«
    »Du meinst, das Knarren und Ächzen und all die anderen grauenhaften Geräusche?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Man gewöhnt sich daran.«
    Inzwischen schlug Sophias Herz etwas ruhiger und sie blickte sich um. Dabei bemerkte sie zu ihrer Rechten ein Bild, das sich von den anderen unterschied. Neugierig trat sie näher heran. Bei genauerem Hinsehen entpuppte es sich als eine Scheibe aus Kristallglas, hinter der sich tief unten eine weite Landschaft erstreckte. Mit dem Kopf hinausdeutend, fragte sie: »Das ist so ein Zeitfenster, oder?«
    Er lachte. »Nein. Das ist ein richtiges Fenster. Was du da siehst, ist Mekanis. Das Reich des Herrschers der Zeit.«
    »Mekanis?«, hauchte sie. War am Ende alles doch kein Traum?
    Behutsam löste sie sich aus seinem Griff und ließ ihren Blick in die Ferne schweifen. Unter einem blauen, irgendwie künstlich anmutenden, merkwürdig spiegelnden Himmel lag eine ausgedehnte Ebene mit Feldern. Darauf sah sie seltsame Muster und ein paar verstreute Gehöfte. Weit dahinter verlief eine Mauer und in noch größerer Entfernung war ein Wald. Vereinzelt konnte sie, klein wie Ameisen, Bewohner des Uhrenreiches ausmachen. Hier und da pflügten winzige Ochsenkarren … Sie stutzte.
    Die Muster, die sie schon zuvor bemerkt hatte, wurden von den Gespannen gezeichnet. Es waren übereinanderliegende Kreise und andere geometrische Formen. Manchmal meinte sie sogar, Tiergestalten zu erkennen. Die Erdzeichnungen mussten riesig sein. So faszinierend sie auch waren, wirkten sie dennoch irgendwie steril, so gefühlsentleert wie technische Zeichnungen. Sophia entdeckte die Umrisse eines Kolibris, der sie verblüffend an die Nazca-Linien erinnerte, die gigantischen Scharrbilder in der peruanischen Wüste, von denen sie in einem Internetblog gelesen hatte. Dort war behauptet worden, Besucher aus dem Weltraum hätten die Geoglyphen geschaffen. Andere Ornamente …
    »Was ist?«, fragte Theo mitten in ihr Staunen hinein.
    Sie zeigte auf eine Stelle, wo sich ein riesiges Auge im Zentrum eines Strahlenmusters aus größer werdenden Kreisen befand. Das Bild war rund, maß bestimmt einen Kilometer im Durchmesser. »So etwas habe ich in meiner Welt schon einmal gesehen. In Getreidefeldern. Wir nennen es Kornkreise. «
    Sein Blick folgte ihrem deutenden Finger. »Hier wird es Ackerbau genannt.«
    Der Bursche hatte echt einen schrägen Humor. Oder meinte er das ernst? Was Sophia eben noch faszinierend fand, bereitete ihr mit einem Mal Unbehagen. Zufällig hatte sie kürzlich in besagtem Blog gelesen, dass die ersten schriftlichen Zeugnisse über Kornkreise aus dem Jahr 1678 stammten. Die merkwürdigen Phänomene waren also erstmals beobachtet worden, nachdem der Unaussprechliche angeblich in die Menschenwelt entkommen war. »Manche glauben, die Kornkreise seien das Werk von Außerirdischen«, murmelte sie.
    Theo nickte. »Wenn diese Leute damit Besucher aus einer fremden Welt meinen, kommen sie der Wahrheit ziemlich nahe. Der Stundenwächter braucht nur eine

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