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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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aus dem Gang ließ Sophia herumfahren. Was sie da sah, erschien ihr unglaublich.
    Sämtliche Kupferfiguren hatten das Podest verlassen, um ins Geschehen einzugreifen. Eben war einer von Laokons Söhnen von einem Automanten auf die Hörner genommen und quer durch den Korridor geschleudert worden. Der Zweite balancierte wie beim Bullenreiten auf einem bockenden Mischwesen, wobei er sich an dessen Rückenhorn festklammerte. Dadurch geriet der Vorstoß des nachfolgenden Trupps ins Stocken. Um nicht vom eigenen Kameraden demoliert zu werden, wichen die Automanten von der rechten Seite des Sockels zurück. Links hatte sich der trojanische Priester Laokon vor die Menschenkinder gestellt und schwang eine Würgeschlange wie ein Lasso.
    »Komm!«, rief Theo. Mit den beseelten Figuren als Kampfgefährten witterte er wohl eine neue Chance. Er klemmte sich den Karton unter den Arm und half Sophia auf die Beine.
    »Du willst doch nicht an der Schlange vorbei?«, fragte sie bang.
    »Wieso nicht? Mir scheint, sie ist auf unserer Seite. Und Laokons Sohn hält die anderen Automanten von der Weltenuhr fern. Bleib dicht an der Wand.«
    Sophia war schwindelig und speiübel. Benommen taumelte sie hinter Theo her.
    Zu ihrer Rechten hallte die Posaunenstimme des Automantenkommandanten.
    »Gib den Weg frei.«
    »Ich gebe dir was Besseres«, erwiderte Laokon furchtlos und schleuderte ihm die Kupferschlange an den Hals. Sofort entbrannte zwischen ihr und dem Automanten ein erbitterter Kampf.
    Sophias Aufmerksamkeit kehrte in die unmittelbare Umgebung zurück, wo Theo sie gerade an der Gliederpuppe vorbeilotste. Die hatte mittlerweile ihr Schwert verloren, war in die Knie gesunken, knackte und knirschte ganz grauenerregend, rang aber immer noch verzweifelt mit der Seeschlange.
    »Schneller, Sophia!«, drängte Theo.
    Endlich waren sie an den Kämpfenden vorbei und er streckte die Hand nach dem Uhr-Ei aus.
    Plötzlich erklang ein Krachen, gefolgt von einem neuerlichen Schmerzensschrei. Der Dreifach Gehörnte Automant hatte Laokons Sohn abgeworfen und ihn gegen das Podest geschleudert. Damit war der Weg für die anderen Zentauren frei.
    Theo ließ den Karton fallen und warf sich nach vorn. Sophia spürte einen heftigen Ruck im Arm und wurde mit ihm zu Boden gerissen. Sie landete der Länge nach auf ihm, während er die Weltenuhr unter sich begrub. Er stöhnte auf, nicht so sehr wegen Sophias Gewicht, sondern weil sie unbewusst die Fingernägel in seine Kleider krallte.
    Ängstlich blickte sie zu den Maschinenwesen, die in Keilformation auf sie zumarschierten. Weil das Mädchen und der Junge im hinteren Eck der Wandnische lagen, konnte nur der vordere Zentaur an sie herankommen. Er näherte sich vorsichtig. Vielleicht rechnete er mit einer weiteren List des Jungen. Nur noch ein Schritt, dann würde der Automant sich zu ihnen herabbeugen. Sophia vergrub ihr Gesicht in Theos Rücken. Jeden Moment erwartete sie die Berührung kalter Finger oder gar den Stoß eines eisernen Horns.
    Warum bleibt die Uhr nicht endlich stehen?
    Plötzlich hörte sie ein Krachen und gleich darauf den Aufschrei vieler Stimmen. Sie warf den Kopf in den Nacken, um nach dem mechanischen Widersacher Ausschau zu halten. Er war verschwunden.
    Dafür tobte in der Mitte des Ganges ein neuer Kampf.
    Einer der Dreifach Gehörnten Automanten schien ausgerastet zu sein oder wie immer man es nannte, wenn die Maschinen nicht länger ihren Befehlen gehorchten. Rätselhafterweise hatte er die Seiten gewechselt. Ein Artgenosse von ihm lag schon am Boden und quietschte wie ein kaputtes Karussell; seine Vorderläufe hatten sich verklemmt, wodurch er nicht mehr auf die Beine kam. Gerade rannte der vierbeinige Berserker gegen einen weiteren Kameraden an und traf ihn mit ungeheurer Wucht an der Hinterhand. Der Angegriffene wurde herumgeschleudert und fiel ebenfalls hin.
    »Thaurin!«, keuchte Theo überrascht.
    »Thaurin?«, wiederholte Sophia leise. Jetzt erst bemerkte sie, dass die Kopfhörner des wild kämpfenden Automanten nur mehr Stummel waren. Auch sein Rückenhorn hatte er eingebüßt. Dafür übertraf er seine Kontrahenten an Größe und Kraft. Obwohl er wie die anderen nur aus Metall bestand, bewegte er sich überdies so geschmeidig wie ein Geschöpf aus Fleisch und Blut. Seine auffälligste Besonderheit aber waren die Augen. Sie glichen braunen Opalen, leuchteten lebendig und versprühten eine unbezähmbare Entschlossenheit.
    »Thaurin!« Diesmal hatte sich Theo vom Boden

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