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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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raus. In der Zeitwäscherei hat es viele Verstecke, wo wir …«
    »Entschuldige«, unterbrach ihn Sophia lachend, »ich habe gerade Zeitwäscherei verstanden. Komisch, oder?«
    Theo blieb stockernst. »Dann hast du richtig gehört.«
    »Wie, bitte schön, kann man Zeit … waschen? «
    »Das erkläre ich dir später und es wird dir nicht gefallen.« Er deutete den Gang entlang. »Da geht’s raus. Es ist nicht weit. Allerdings muss ich dich warnen.«
    Sie legte das Uhr-Ei ins Fabergé-Ei zurück, ohne Letzteres zuzuklappen. »Warnen? Hoffentlich nicht wegen der Zehnfüßigen Pantoffeln.«
    »Du meinst die Zehngliedrigen Pandinen. Es gibt noch andere Gefahren an diesem Ort, aber ich will dich nicht unnötig ängstigen. Zum Glück haben die Maschinen keine Gefühle und somit auch kein Zeit gefühl wie du und ich. Normalerweise reagieren sie nach einer Starre von hundert Jahren oder mehr eine Weile träge wie ein Bär nach dem Winterschlaf. Wenn wir also nicht gerade herumpoltern, schreien und hüpfen, werden sie uns kaum bemerken.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Nein.«
    »Toll!«
    »Bleib einfach dicht bei mir. Soll ich dir die Kiste abnehmen?«
    Sie funkelte ihn bedrohlich an. »Danke. Es geht schon.«
    Der Ausgang des Irrgartens lag hinter einer breiten silbernen Säule. Nur wer ganz nahe an sie herantrat und außerdem den in der Sockelverzierung verborgenen Mechanismus zum Öffnen der Geheimtür kannte, vermochte sich Zutritt zum Labyrinth der Zeit zu verschaffen. Hinaus gelangte man mithilfe eines schnöden Hebels. Glücklicherweise waren die Angeln der Tür gut geschmiert. Sie öffnete sich völlig lautlos.
    Theo legte den Zeigefinger an die Lippen. Jetzt keinen Mucks!
    Sophia nickte und lugte neugierig hinter der Säule hervor.
    Ihr Blick fiel auf den breiten Rücken einer mannsgroßen silbernen Gliederpuppe, die rechts einen Speer und links einen langen rechteckigen Schild trug. Soweit sich dies von hinten beurteilen ließ, glich sie ansonsten den gesichts- und geschlechtslosen, vielfältig verstellbaren Holzfiguren, die Kunststudenten gelegentlich für Körperstudien benutzten, wenn man gerade kein Aktmodell zur Hand hatte. Der Bewaffnung nach zu urteilen, war diese hier für den Wachdienst bestimmt. Sophia mochte sich lieber nicht ausmalen, was so eine mechanische, vermutlich tonnenschwere Kampfmaschine mit ihr anstellen konnte. Hoffentlich waren Theos Bemerkungen über die anfängliche Trägheit der mekanischen Wesen nicht nur Beruhigungspillen für ein verängstigtes Mädchen gewesen.
    Von fern näherten sich Schritte. Wahrscheinlich waren es metallische Füße, die da so hart über den eisernen Boden stampften. Die Zeitwäscherei erwachte aus dem Dornröschenschlaf.
    Sophia spähte an der Figur vorbei etwa zwanzig Meter weit in einen breiten, bogenförmig gekrümmten, säulengesäumten Gang. Diese sogenannte Wäscherei musste ein Palast oder zumindest ein Repräsentationsbau sein. Mehrere Skulpturen hüllenloser Damen und Herren im klassisch-griechischen Stil waren zu sehen, darunter ein Herkules, der ein großes Ei stemmte. Die hohe Decke zierten Stuckornamente in Form von Rankenwerk. Alles wirkte großzügig und kostspielig. Erst auf den zweiten Blick bemerkte Sophia, dass hier nirgends Stein oder Gips, sondern ausschließlich metallische Materialien verarbeitet worden waren. Etwas irritierend fand sie die gegenüberliegende Wand an der Innenseite der Krümmung. Sie drehte sich. Oder rotierte der Gang um einen unbeweglichen Kern herum?
    Theo bedeutete Sophia, ihm das Ohr zuzuwenden. Sie spürte ein Kribbeln, als es von seinem warmen Atem eingehüllt wurde – seine Stimme war nur ein Hauch. »Drüben steht noch ein zweiter Wächter. Wird ziemlich eng, wenn wir zwischen der Wand und der Gliederpuppe hindurchschlüpfen wollen. Gib mir die Kiste und nimm deinen Tornister ab.«
    Sie zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, um ihn argwöhnisch zu mustern. Es behagte ihr nicht, die Weltenuhr aus den Händen zu geben. Sie hätte nicht einmal erklären können, woher dieses unterschwellige Misstrauen kam. Immerhin hatte Theo ihren Ururgroßvater gerettet.
    Sofern dieser Junge wirklich Theophilos war.
    Im Rücken der Gliederpuppen konnte sie unmöglich eine hitzige Diskussion anzetteln. Irgendwie fühlte sie sich von ihm überrumpelt und rammte ihm dementsprechend trotzig den Karton in die Rippen.
    Er verzog keine Miene und wartete geduldig, bis sie den Rucksack abgenommen hatte. Danach gab er ihr einen Wink

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