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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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von Dienern und Spionen, manche aus Metall und Silizium, andere aus Fleisch und Blut …
    »Wie lange noch?«, flüsterte Theo ungeduldig. Er fühlte sich in dem U-Bahn-Waggon sichtlich unwohl.
    »Gleich sind wir im Bahnhof Alexanderplatz«, antwortete sie leise, ohne den Blick von der Alten zu wenden. Die Lippen der Frau bewegten sich. Mit wem redete sie?
    »Muss mir das irgendwas sagen?«, fragte er.
    Sophia riss die Augen von der Alten los, weil sie glaubte, sonst hysterisch zu werden. Sie lächelte so ermutigend, wie es ihr in der angespannten Stimmung möglich war. »Da kreuzen viele Bahnlinien. Es dürfte für Oros fast unmöglich sein, uns in dem Streckennetz zu folgen.«
    »Im Augenblick sind wir noch in einem Tunnel gefangen.«
    »Deshalb heißt es ja U -Bahn. Das U steht für Untergrund, nicht für Ungeheuer oder …« Unhold hatte sie sagen wollen, aber das Wort blieb ihr im Halse stecken.
    Ein lautes Quietschen drang in den Waggon. Der Zug verlor rasch an Fahrt. Theo und Sophia klammerten sich an den Haltestangen fest, um nicht von den Beinen geworfen zu werden. Gegenüber rutschte die Alte mit dem Hörgerät quer über die Sitzbank. Aufgeregte Stimmen hallten durch den Wagen. Vom Licht des nächsten Bahnhofs war noch nichts zu sehen.
    »Wat für ’ne Knalltüte hat denn da die Notbremse jezogen?«, empörte sich ein Mann am anderen Ende des Waggons.
    »Oros!«, flüsterte Theo.
    Sophia fuhr der Schreck in die Glieder. »Ist das dein Ernst?«
    Er nickte. »Wie kommt man hier raus?«
    Sie suchte atemlos Wände und Decke ab, sah aber nirgendwo eine Notentriegelung. Auf die Hebel an den Türen deutend, antwortete sie: »Zieh sie einfach auseinander.«
    »Das ist verboten!«, protestierte die Schwerhörige, als Theo vor die Türen trat und sich an ihnen zu schaffen machte.
    Der Zug ruckte wieder an. Doch nicht, um zum Alexanderplatz weiterzufahren. Er bewegte sich in die Gegenrichtung, zurück zur Weinmeisterstraße.
    Ächzend zerrte Theo an den Griffen. »Warum tut sich da nichts?«
    »Was weiß ich? Wahrscheinlich ein kaputter Kontakt«, jammerte Sophia.
    »Oder einer, der nur Oros gehorcht«, knurrte er, riss seinen Horndolch aus dem Gürtel, stieß ihn zwischen die Türen und hebelte sie ein kleines Stück auseinander. In die so entstandene Lücke schob er die freie Linke und stemmte die beiden Türhälften weit genug auf, um hindurchzuschlüpfen. Mit zusammengebissenen Zähnen presste er nur zwei Worte hervor.
    »Schnell, spring!«
    Sophia starrte ungläubig auf den schwarzen Spalt, den er mit Mühe offen hielt. Alles in ihr sträubte sich dagegen, seinem irrwitzigen Verlangen nachzugeben. Schon ihre Eltern hatten ihr beigebracht, Ge- und Verbote zu beachten. Natürlich wusste sie, dass es strengstens untersagt war, einen U-Bahn-Wagen mitten im Tunnel zu verlassen. Und sie hätte nie geglaubt, dass ausgerechnet sie diese Regel je infrage stellen müsste …
    Der Zug kam langsam ins Rollen.
    »Sophia!«, schrie Theo. »Wenn du nicht Oros in die Hände fallen willst, dann raus mit dir!«
    »Stehen bleiben! Sofort stehen bleiben!«, rief die Alte mit dem Hörgerät.
    Ihre Worte rüttelten Sophia endgültig wach. Sie schüttelte ungläubig den Kopf und sprang in die Dunkelheit.
    Die roten Rückleuchten des Zuges verschwanden hinter der Biegung. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die U-Bahn zurückkommen würde. Entsprechend schnell liefen die zwei über die Bahnschwellen, achteten dabei jedoch immer auf genügend Abstand zur Stromleitung, die neben der Schiene verlief. Im Moment überquerten sie eine von Wartungslampen schwach beleuchtete Weichenanlage. Links von ihnen war nichts als schwarze Leere. Sophia hatte einmal gehört, in Berlin gebe es zahlreiche »vergessene Tunnel«, in die sich selten ein Mensch verirrte.
    Theo deutete nach rechts. »Ich kann Licht am Ende des Tunnels sehen.«
    Sophia stieß die Luft aus. »Mir kommt es eher so vor, als beginne die große Finsternis gerade erst.«
    »Aber dahinten wird es doch hell.«
    »Ich hab’s auch nicht wörtlich gemeint. Wenn Oros die Technik auf seiner Seite hat, wie können wir ihm da die Stirn bieten?«
    »Das dürfte in deiner Welt tatsächlich nicht ganz leicht sein. Allerdings glaube ich nicht, dass der Stundenwächter jeden Apparat beherrscht, genauso wenig wie er alle Menschen auf der Erde manipulieren kann.«
    »Und was ist mit der Alten im Zug?«
    Er wandte ihr das Gesicht zu. »Welche Alte?«
    »Die mit dem Hörgerät.« Sophia tippte sich

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