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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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über die Halterungen hinweg nach vorn.
    Wo nur Dunkelheit hätte sein müssen, prangte ein Graffiti. Nur drei, höchstenfalls vier Schritte hinter den abgeschnittenen Schienen bedeckten die schwarz umrandeten, in Rosa und Weiß gesprühten Buchstaben die gesamte Breite einer Betonmauer.
    Ende des Tunnels und Ende aller Hoffnungen, dachte Sophia. Irgendein Sprayer war vor ihnen hier eingedrungen und hatte sich als Unglücksprophet versucht. Sie fand, das Wort spiegelte ihre Gefühle recht treffend wider.
    Endstation!
    Hinter sich vernahm sie Schritte, das unverkennbare Hinken des Verfolgers. Sie drehte sich zu ihm um und leuchtete in den Tunnel, weil er seine künstliche Flamme ausgemacht und sich gleichsam unter einem Tarnmantel aus Schatten verborgen hatte. Wie eine Ertrinkende griff Sophia nach Theos Hand.
    »Der Mohr kann uns sehen. Blas deine Kerze aus!«, flüsterte er.
    Sie steckte das Handy in die Hosentasche. Um sie herum wurde es stockdunkel. Trotzdem klangen die Schritte immer näher. Die blinde Beharrlichkeit des Verfolgers machte ihr Angst. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um Theos Ohr möglichst nahe zu sein, und wisperte: »Er ist doch keine Fledermaus. Warum greift er uns im Dunkeln an?«
    »Er ist eine Maschine im Körper eines Menschen. Die kennen kein Gefühl. Auch Furcht ist ihnen fremd.«
    »Vielleicht können wir ihn überwältigen oder ihm einfach entwischen?«
    »Das würde uns wenig nützen.«
    »Wieso?«
    »Weil er gerade Verstärkung bekommt.«
    Einmal mehr staunte Sophia über Theos feine Sinne. Er musste schon gehört haben, was sie nun mit eigenen Augen sah. Im Tunnel vor ihnen tauchte ein gelbes rundes Licht auf. Während es langsam von links nach rechts wanderte, stanzte es den Schattenriss des Verfolgers aus der Dunkelheit. Ein zweiter Leuchtpunkt gesellte sich dem ersten hinzu.
    »Ei-ein Zug?«, stammelte Sophia fassungslos.
    »Stehen bleiben! Sofort stehen bleiben!«, leierte der Mann mit den weißen Ohrhörern. Er machte keine Anstalten, das Gleis zu verlassen, sondern humpelte unbeirrt weiter. Der Zug hinter ihm kreischte wie ein gelber Lindwurm, der Blut geleckt hatte. Er kam schnell näher.
    Sophia konnte im schwach beleuchteten Führerstand zwei Personen sehen. Die eine saß so steif da wie eine Schaufensterpuppe, die andere stand sichtlich entspannter daneben. Es war Oros. Seine schwarz verhüllten Augen suchten den Tunnel ab. Sophia schüttelte entsetzt den Kopf. »Sieht er denn den Mann auf den Gleisen nicht? Er muss sofort bremsen, sonst wird der Zug ihn überrollen.«
    Theo legte mit der ihm eigenen Unbeholfenheit schützend den Arm um ihre Schultern, eine für Sophia gleichwohl tröstliche Geste. Traurig antwortete er: »Ein Menschenleben zählt für den Stundenwächter nur, solange es ihm etwas nützt. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Oros braucht ihn nicht mehr. Schau lieber nicht hin, Sophia.«
    Das war leichter gesagt als getan. Sie wollte nicht wahrhaben, dass der Mann auf den Gleisen sein Leben so achtlos wegwarf. Neben den Schienen war genug Platz, um sich in Sicherheit zu bringen. Warum rettete er sich nicht? Tränen der Verzweiflung schossen ihr in die Augen. »Spring zur Seite, Rastamann!«, rief sie aus voller Kehle.
    Doch er reagierte nicht. Wahrscheinlich hörte er nur, was aus seinen Ohrstöpseln dröhnte. War es eine Totenmelodie in flotten Reggaeklängen? Oder die Stimme seines herzlosen Gebieters?
    Je näher der Zug kam, desto weiter schienen die Lichter von dem mechanisch dahinschreitenden Mann wegzurücken. Dann wurde er völlig in Schatten gehüllt. Die Räder des Zuges kreischten abermals. Sophia wandte sich schluchzend ab. Sie hörte keinen Todesschrei, nicht einmal einen dumpfen Aufschlag, nur das ohrenbetäubende Quietschen der Eisenräder. Mit verschleiertem Blick las sie das Menetekel an der Wand: Endstation!
    Erst als das metallische Kreischen sich veränderte, drehte sie sich wieder um. Das Geräusch klang jetzt höher, anhaltender und lauter. In ihrer Fantasie verwandelte es sich in eine Anklage: Warum jetzt erst die Notbremsung?
    Funken sprühend verlor der Zug an Geschwindigkeit. Würde er noch bis zum Ende der Gleise zum Stehen kommen? Oder war die Kollision mit der Wand dahinter nicht mehr zu verhindern?
    »Schnell zur Seite!«, rief Theo. Er schien mit dem Schlimmsten zu rechnen und zog Sophia hektisch nach links, wo der Abstand zu den Schienen größer war und ein erhöhter Steg aus Beton Sicherheit versprach.
    Unterdessen

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