Der verbotene Schlüssel
euch zum Haus eskortiert. Hoffentlich bringe ich mich damit nicht um Kopf und Kragen.«
Als sich etwa eine Stunde später der Himmel über Alba Longa blutrot verfärbte, empfing uns der Hausherr endlich im Atrium. Ich war ziemlich aufgeregt. Gnaeus Pompeius hatte dreimal in einem Triumvirat – einer »Dreimännerherrschaft« – die Geschicke Roms gelenkt. Laut Hyrkan war er ein vom Machthunger Getriebener.
Bei unserem Eintreten lag er auf einer gepolsterten Bank, in der Hand einen goldenen Becher. Vermutlich ließ er sich vom Wein und dem Plätschern eines Springbrunnens gerade zu neuen Großtaten inspirieren oder ruhte sich einfach vom anstrengenden Ränkeschmieden aus. Die Falten seiner langen weißen Toga fielen so dekorativ über seinen Körper, als säße er Modell für eine Statue. Sein gewelltes, kurz geschnittenes graues Haar war noch voll. Mittlerweile hatte er die fünfzig überschritten und wirkte mit seiner Korpulenz und dem runden Gesicht nicht mehr wie der junge, draufgängerische Alexander der Große. Eher wie Gnaeus der Träge.
»Wie ich höre, bringt ihr Kunde von dem ehrenwerten Poseidonios?«, fragte der Hausherr, nachdem seine Gäste ihm gebührend Respekt erwiesen hatten.
»Es ist ein verzweifelter Hilferuf«, antwortete Hyrkan. »Legionäre, die unter Eurem Kommando standen oder möglicherweise immer noch stehen, haben das Haus von Geminos überfallen und meinen Herrn als Geisel genommen. Es sind Kilikier, die Tigranes der Jüngere gedungen hat, um seinen Bruder vom Thron zu verdrängen.«
Pompeius bedeutete ihnen durch einen Wink, auf einer steinernen Bank zu seiner Rechten Platz zu nehmen. Mit stummer Geste schickte er einen Sklaven nach Erfrischungen fort. Hiernach beugte er sich interessiert vor. »Du scheinst die Wahrheit zu reden, Hyrkan. Was du sagst, deckt sich mit den Berichten, die mir nach der Flucht dieses Verräters zugespielt wurden. Kennst du die Namen der Deserteure?«
»Nur die ihres Anführers Obal und seines Schattens Mamik. Er ist ein Riese von Mann und hält dem Zenturio den Rücken frei.«
»Du sprichst die Wahrheit«, sagte Pompeius empört. »Wir verdächtigen diese Kilikier schon lange, hielten es aber bisher für besser, sie vorerst gewähren zu lassen.«
Um ihnen falsche Informationen zuzuspielen und sie für Eure eigenen Zwecke einzuspannen, dachte ich und nickte freundlich lächelnd.
»Erzähl mir genau, was im Haus von Geminos passiert ist.«
Hyrkan schilderte den Überfall in dramatischen Worten. Unterdessen reichte uns ein Sklave Wasser und Wein sowie getrocknete Früchte.
»In einem Punkt überzeugt mich eure Geschichte nicht«, grübelte Pompeius, nachdem er alles gehört hatte. »Welches Interesse hat der junge Tigranes an den zwei Gelehrten?«
Hyrkan und ich wechselten fragende Blicke. Bisher hatten wir nichts vom Buch der Zeit erwähnt. Sollten wir die Katze aus dem Sack lassen?
»Ich sehe, dass ihr mir etwas verschweigt«, hakte Pompeius nach. »Heraus mit der Sprache! Was ist es?«
»Es gibt einen triftigen Grund«, druckste Hyrkan. »Tigranes braucht eine … Waffe , um sich gegen seinen Bruder und vor allem gegen die Schutzmacht Rom durchzusetzen.«
»Und diese Waffe hofft er, von Poseidonios zu bekommen?«
Wir nickten.
»Und von Geminos?«
»Ja«, sagte Hyrkan.
»Spielt bei dieser Verschwörung zufällig ein uraltes Buch eine Rolle? Es ist aus Gold und hat die Form eines Diskus.«
Uns klappten gleichzeitig die Kinnladen herunter.
Pompeius lächelte triumphierend. »Dacht ich’s mir! Ich habe diese Schlange Tigranes zu Geminos geführt, und jetzt versucht sie, ihn und seinen Lehrer gegen mich einzusetzen.«
»Woher kennt Ihr den Diskus von Ys , Herr?«, erkühnte ich mich, den Magnus zu fragen.
Pompeius pflegte seine Geheimnisse nicht jedem Dahergelaufenen auf die Nase zu binden. Daher antwortete er eher vage: »Tigranes und ich waren einmal Verbündete. Er zeigte mir den Diskus und behauptete, ein mit den Gestirnen vertrauter Mann könne aus ihm Kräfte entfesseln, die unsere gemeinsamen Feinde wie Spreu im Feuer vernichten würden. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass Geminos von Rhodos sich das sogenannte Buch der Zeit genauer ansieht. Er kam zu dem Schluss, die goldene Scheibe sei nicht zu beherrschen, und lehnte den Auftrag ab.«
»Ein kluger Mann.«
Der Feldherr beugte sich wieder vor und lächelte diebisch. »Das mag damals gestimmt haben, junger Freund, aber offensichtlich hat dein Meister etwas herausgefunden, das
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