Der Verehrer
gutgläubig.«
Sie hielt sich an dem Schnaps fest, den Wolfgang ihr eingeschenkt hatte.
»Ich werde mir das nie verzeihen!«
»Warum war die andere Katze nicht draußen?« fragte Wolfgang.
»Sie hatten ein offenes Kellerfenster. Sie konnten kommen und gehen, wie es ihnen gefiel.«
»Du hast das Beste für die beiden gewollt. Es gibt keinen Grund, daß du dir jetzt Vorwürfe machst. Katzen sind nicht gern im Haus eingesperrt. Bestimmt hat Dolly ihre Freiheit sehr genossen.«
»Sie hatte einen schweren Tod. Wer weiß, wie lange sie schon vor der Haustür gelegen hat! Sie muß schreckliche Krämpfe und Schmerzen gehabt haben. Wenn ich doch nur heute ganz normal nach Hause gekommen wäre! Vielleicht hätte ich sie noch zum Tierarzt bringen und retten können!«
»Du machst dich doch nur verrückt, Leona. Du konntest die Katze nicht rund um die Uhr bewachen. Niemanden trifft die Schuld – nur die gewissenlosen Leute, die Gift in ihren Gärten verstreuen und nicht darüber nachdenken, was sie den Tieren damit antun.«
Wolfgang betonte absichtlich die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um einen solchen Fall handelte. Leona hatte bereits zweimal einen Verdacht gegen Robert ausgesprochen, und den wollte er zerstreuen. Ironischerweise hatten sie beide plötzlich ihre ursprünglichen Positionen vertauscht.
Bis vor kurzem hatte Wolfgang an Robert kein gutes Haar gelassen, während Leona ihn verteidigt hatte, und nun war es umgekehrt. Auch wenn er zuvor das Wort Psychopath ins Gespräch gebracht hatte, war er doch zu sehr Realist, um Jablonski für etwas anderes als einen Spinner zu halten, dessen Gefährlichkeit nun, da die Beziehung zu Leona nicht mehr bestand, gebannt war.
»Und wenn es doch Robert war?« fragte Leona.
»Er ist längst in Ascona«, sagte Wolfgang.
»Er hat gesagt , er fährt nach Ascona zurück«, berichtigte Leona. » Gesehen habe ich nur, wie er in ein Taxi stieg. Wohin ihn das brachte, weiß ich nicht.«
»Zum Bahnhof. Leona, du weißt, ich konnte ihn nie leiden und hatte immer ein ungutes Gefühl, was ihn betraf, aber ich finde, wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Die Giftmörder-Version erscheint mir zu dramatisch. Sicher ist er wütend auf dich, weil du die Beziehung beendet hast, aber …«
»Das ist es doch gerade!« Leona starrte ins Zimmer, wobei sie es angestrengt vermied, mit ihrem Blick den Karton zu streifen, in dem Dolly lag. »Er war nicht wütend. Überhaupt nicht. Das hat mich ja so irritiert. Er ist sonst bei jeder Gelegenheit ausgerastet, am schlimmsten in Ascona.« Sie berichtete von dem Vorfall, als sie seinen Ring abgezogen und im Bad liegengelassen hatte. »Das hat ihn wild gemacht. Ich bekam wirklich Angst vor ihm. Verstehst du, er drehte durch, wenn er das Gefühl hatte, ich könnte ihm irgendwie entgleiten. Deshalb war ich erstaunt, wie gelassen er es hinnahm, als ich ihm erklärte, es ginge nicht mehr zwischen uns. Er sah etwas elend aus … aber auch so, als habe er es erwartet. Als habe er von Anfang an gewußt, daß es so endet.«
»Seine letzte Freundin ist ihm auch weggelaufen«, erinnerte
Wolfgang, »und die davor vielleicht auch. Womöglich ist er diesen Gang der Dinge seit langem gewöhnt.«
»Aber an so etwas gewöhnt man sich nicht. So etwas ist schlimm. Und es wird immer schlimmer, je öfter es passiert. «
»Vielleicht ist er ein Mensch, der lange Zeit kämpft, fast übermäßig heftig kämpft, der aber genau spürt, wann er geschlagen ist, und der dann von einem Moment zum anderen alle Waffen fallen läßt. Es gibt solche Leute.«
»Warum hat er erzählt, seine Freundin sei ertrunken?«
Wolfgang rieb sich die Augen. Er war müde – aber zugleich spürte er in sich eine sehr wache Furcht lauern, die er keineswegs hochkommen lassen wollte.
»Ich weiß es nicht. Er ist nicht ganz normal. Das habe ich ja immer gesagt. Aber ich halte ihn nicht für gefährlich.«
Letztlich stimmte es nicht, was er sagte, und das wußte er auch. Hätte er Robert nur für »nicht ganz normal« gehalten – eigentümlich, aber harmlos –, dann hätte er nicht versucht, Leona sogar noch in Ascona anzurufen. Etwas hatte ihn beunruhigt, die ganze Zeit über, etwas, das nichts mit seiner Eifersucht zu tun gehabt hatte.
»Letzte Woche am Lago Maggiore«, sagte Leona leise, »da hatten wir ein Gespräch … ich weiß nicht mehr genau, wie es anfing … irgendwie kam er wieder auf meine Haare. Er wollte unbedingt, daß ich sie wieder lang wachsen lasse. Ständig lag er mir
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