Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
weigert sich, den Namen des Vaters preiszugeben, um Luca zu schützen - durch die Folter soll sie zum Geständnis gezwungen werden. Ihr Richter und Henker ist der Inquisitor von Rom: Fra Luca d'Ascoli. Luca drängt Adriana zum Geständnis seiner Vaterschaft, um ihr Leben vor dem Scheiterhaufen zu retten, doch sie weigert sich, um ihren Geliebten zu schützen.
Die Anklage, meine Mutter habe sich Satan hingegeben und ich sei Satans Tochter, war eine bösartige machtpolitische Intrige von Kardinal Giordano Orsini und seinen Anhängern in der florentinischen Kurie! Kardinal Orsini hatte im Konklave für Papst Gregor gestimmt, verließ Euren Onkel jedoch und wählte in Pisa zwei Gegenpäpste. Diesen Verrat hat Luca ihm nie verziehen! Giordano Orsini war einer von Lucas einflussreichsten Gegnern unter Papst Martins Kardinälen. Der andere, mächtigere wart Ihr, Euer Heiligkeit.«
»Ich war an Giordanos Machenschaften nicht beteiligt. Es widerstrebte mir, ein dreijähriges Kind auf dem Altar der Macht zu opfern, um Luca zu stürzen«, rechtfertigte er sich. Giordano Orsini, der im letzten Juli starb, war sein Freund gewesen.
»Das weiß ich. Meine Verachtung und mein Hass gelten nicht Euch, sondern den Priestern, die sich im Besitz der unanfechtbaren, unveränderlichen und ewigen Wahrheit wähnen! Den Priestern, die ihre Herrschaft mit Gewalt rechtfertigen und den irrenden Gläubigen Folterqualen, Tod und ewige Verdammnis androhen! Den Priestern, die imstande sind, Menschen zu opfern - und wofür? Für ihre höchste Gottheit: die Macht!«
Er wollte etwas sagen, aber ich fuhr unbeirrt fort:
»Ihr, Heiliger Vater, habt Luca verachtet, weil er sich dem Papst widersetzte, der ihn zum Erzbischof von Florenz ernennen wollte. Papst Gregor hatte Luca einen Brief überreicht, der an ›Fra Luca d'Ascoli, designierter Erzbischof von Florenz‹ adressiert war, doch mein Vater hat Eurem Onkel diesen Brief zurückgegeben und die Ernennung abgelehnt.
Ihr nanntet ihn hochmütig und selbstsüchtig, weil er sich den Wünschen des Papstes verweigert hat. Und da kann ich Eurem unfehlbaren Urteil nur zustimmen: Mein Vater war unglaublich stolz. Willensstark. Unnachgiebig. Aber auch bescheiden, aufrichtig und wahrhaftig. Sein Handeln war stets moralisch vollkommen. Trotz seiner Exkommunikation wurde er verehrt - eben weil er diese Demütigung schweigend ertrug. Und dennoch lebte er wie ein Mönch und widmete sein ganzes Dasein der Kirche.«
»Ihr erinnert mich sehr an Euren Vater - dieselbe Leidenschaft, derselbe Mut!«, seufzte Eugenius und starrte hinunter zum Chiostro Grande. Schließlich wandte er sich um. »Ihr verlangt viel von mir, Alessandra!«
»Ich verlange nichts, was Luca nicht auch bereit gewesen war, Euch zu gewähren, Euer Heiligkeit. Vergebt ihm, wie er Euch vergeben hat, als er zu Euch nach Ferrara kam!
Ich bitte Euch: Könnt Ihr ihm denn nicht eine Schuld vergeben, die er sich selbst nie verziehen hat?«
Kapitel 14
Nach dem feierlichen »Ite, missa est!« des Pontifikalamtes in der Kathedrale drängte ich mit Fra Serafino durch die wogende Menschenmenge hinaus auf die Piazza.
Die Verkündung des Papstes hatte mich weniger überrascht als die Gläubigen, die atemlos seinen Worten gelauscht hatten. Vor Beginn des Gottesdienstes hatte Eugenius unter vier Augen mit mir gesprochen und mich um meine Einwilligung gebeten. Gestern Abend hatte ihm Alessandra offenbar von meinem Herzenswunsch erzählt, und er hatte ihn mir gewährt - ein wenig erleichtert darüber, dass er die Lobeshymne auf Luca nicht selbst halten musste.
Nachdem er seine Versöhnung mit Luca bekannt gegeben hatte, war ein tosender Beifallssturm durch die Kathedrale gebrandet, sodass Eugenius seine eigenen Worte nicht mehr verstehen konnte. Die Florentiner lagen ihrem Papst zu Füßen. Noch nie war Eugenius so beliebt gewesen. Cosimos Gesicht hatte gestrahlt.
Von den Stufen der Kathedrale beobachtete ich, wie die aus der Kirche strömenden Menschen die Lorbeerzweige von den mit Bändern umwundenen Stangen rupften, die seit dem Empfang des Papstes den Prunksteg nach Santa Maria Novella zierten. Über diesen Steg war gestern Abend der Papst mit seinen Kardinälen und Erzbischöfen in seine Klosterresidenz zurückgekehrt. Als der Lorbeerschmuck geplündert war, rissen die Florentiner die Myrten und die weißen und blauen Bänder ab und zogen damit ausgelassen lachend und singend zum Palazzo d'Ascoli. »Viva il papa! Es lebe der Papst!«
Vor mir schob sich
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