Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
herüber und kniete sich neben mich. Tito folgte ihm in wenigen Schritten Abstand. Er drängte mich zur Seite, beugte sich über Caedmon und schob den Wollstoff seines Habits auseinander. »Großer Gott!«, entfuhr es ihm.
Tayeb und Alessandra stürmten auf die Piazza und kamen zu uns herüber.
Alessandras Blick irrte von Caedmon zu mir. Dann sah sie das Blut auf meinem Habit. »Niketas, bist du verletzt?«
»Nein, es geht mir gut!«, beruhigte ich sie. »Caedmon hat mir das Leben gerettet!«
Tayeb beugte sich über den Schwerverletzten und untersuchte seine Wunde. »Er stirbt.«
Ich legte meinen Arm um Caedmon und richtete ihn auf. Sein Kopf lag an meiner Schulter, seine Hand tastete nach meiner und ergriff sie.
Er lächelte selig, als ob er keine Schmerzen mehr hatte. »Niketas!«, hauchte er. Ein Schwall von Blut floss über seine Lippen und tropfte in die Falten meines Habits. »... tut mir so leid, was ich Euch ... und Alessandra ... angetan habe ... euch die liebsten Menschen genommen ... Luca ... Serafino ... Natanael ... Alexios.«
Mit einem entsetzten Schrei schlug sich Tito die Hand vor die bebenden Lippen und starrte ihn an. Er brach in Tränen aus, und Alessandra umarmte ihn tröstend.
»... in den letzten Tagen ... habt Ihr mir ...« Caedmon hustete Blut. «... so viel Vertrauen ... mich nicht mehr so entsetzlich einsam ...« Mit dem Ärmel meines Habits wischte ich ihm das Blut aus dem Gesicht. «... danke Euch ...«, presste Caedmon mit letzter Kraft hervor. Er wollte noch etwas sagen, doch seine Stimme versagte. Er schloss die Augen, als wolle er schlafen. Seine Brust hob und senkte sich, als er keuchend nach Atem rang. Dann fiel sein Kopf gegen meine Schulter. Caedmon war tot.
Elf Tage später, am 17. März 1439, fand in Santa Croce eine Sitzung statt, die um ein Haar die letzte des Konzils gewesen wäre. In Gegenwart des Kaisers und des Papstes wurde über das Filioque diskutiert, den Zusatz der lateinischen Kirche zum Glaubensbekenntnis von Nikaia, der besagt, dass der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn ausgehe. Die orthodoxe Kirche hatte das Filioque, das einer der Gründe für das Schisma von 1054 war, niemals anerkannt ...
»... und sie wird es auch niemals anerkennen«, brummte Markos von Ephesos während der Sitzung so laut, dass der Kaiser und der Papst es hören konnten. »Das Filioque ist eine römische Häresie! Der orthodoxe Glaube ist der wahre Glaube Jesu Christi!«
Ein erbitterter Streit entbrannte zwischen Lateinern und Griechen. Fäuste wurden gereckt, um den eigenen Argumenten Nachdruck zu verschaffen. Schmähungen wie ›Schismatiker!‹ und ›Häretiker!‹ flogen zwischen beiden Seiten hin und her. Der Metropolit von Nikaia, der vermitteln wollte, wurde lautstark niedergebrüllt - von beiden Seiten. Basilios wurde wüst beschimpft, als Verräter am orthodoxen Glauben, als verdammter Judas, der die Kirche Jesu Christi für einen Fetzen purpurner Seide verriet.
In ohnmächtigem Zorn ballte der Kaiser die Fäuste. Markos hielt den Blick gesenkt und murmelte ein Gebet. Isidor barg das Gesicht in beiden Händen, um seine Enttäuschung und Bitterkeit nicht zu zeigen. Und Basilios warf mir einen verzweifelten Blick zu, als er wieder Platz nahm. Noch nie hatte ich ihn so hoffnungslos gesehen!
In dieser Auseinandersetzung ging es nicht nur um das Dogma, sondern um die Macht - um die Autorität der römischen Kirche und damit des Papstes, Beschlüsse zu fassen, die nicht von einem ökumenischen Konzil, das die gesamte Kirche repräsentiert, mitgetragen werden. Mit anderen Worten: Es ging um den römischen Primat. Um die Vormachtstellung in einer vereinigten griechisch-römischen Kirche. Und damit um den Bestand des Byzantinischen Reiches, denn der Basileus war das Oberhaupt der orthodoxen Kirche.
Würde die lateinische Herrschaft nicht am Ende das griechische Erbe der Kirche vernichten und den orthodoxen Glauben in den Staub treten?, sorgten sich die Metropoliten. War die Unterwerfung unter den türkischen Sultan nicht der Gewaltherrschaft des Papstes vorzuziehen, um das tausendjährige Byzanz vor der Vernichtung zu bewahren?
Kardinal Traversari, einer der engsten Berater des Papstes, verdammte die uneinsichtige und unnachgiebige Haltung der orthodoxen Kirche, die die Aufhebung des Schismas und den so lang ersehnten Frieden zwischen den Christen in Orient und Okzident verhindere. Tosender Beifall von römischer Seite - der Papst nickte zufrieden.
Auf Befehl des Kaisers
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