Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
demütigen.«
»Schon gut! Wenn du mein Gefangener wärst, würde ich mit dir dasselbe tun.« Ich atmete tief ein. »Cesare, lass es uns hinter uns bringen! Es wird für uns beide schwer genug!«
Er nickte, ergriff die Zügel meines Pferdes, trieb seinen Hengst an und galoppierte mit mir auf die Stadt zu. Seine zwanzig Bewaffneten zogen ihre Schwerter und bildeten einen undurchdringlichen Kordon um uns, um Cesare vor einem Attentat zu schützen und mich an der Flucht zu hindern.
Die Formalitäten am Stadttor waren schnell erledigt, und wir betraten Rom. Kurz vor Toresschluss herrschte auf der weiten Piazza vor der Kirche Santa Maria del Popolo ein Trubel wie im Vorhof des Tempels von Jerusalem, als Jesus die Tische der Geldwechsler und Taubenverkäufer umstieß.
Geldverleiher, die ihre Klapptische gleich neben der Porta Flaminia aufgebaut hatten, tauschten florentinische Fiorini und venezianische Zecchini in römische Ducati. Ein Händler, der Ablassbriefe und Reliquien von Heiligen verhökerte, pries lautstark seine Waren an: »Rosenkränze und Gebetbücher! Byzantinische Ikonen aus Florenz!« Am benachbarten Stand gab es Aphrodisiaka aus dem Staub ägyptischer Mumien, Liebeszauber auf Papyrus und magische Schutzamulette gegen Pest und Impotenz. Und vor den Stufen zum Portal von Santa Maria del Popolo bot ein geschäftstüchtiger Reliquienhändler die Haare der Caterina von Siena an, ein Tuch mit den Blutstropfen aus den Stigmata des heiligen Francesco dAssisi und den Fingerknochen von der Hand Johannes des Täufers, mit der er am Jordan Jesus getauft hatte.
In Rom gab es jeden Plunder zu kaufen. Der Glaube und die Frömmigkeit wurden verhökert wie die Sündenfreiheit durch Ablassbriefe! Das christliche Bekenntnis und die Moral als käufliche Ware! Welch ein Frevel!
Cesare führte mein Pferd durch das Gedränge auf der Piazza, dann trabten wir nebeneinander die Straße entlang, die zum Forum Romanum und zur Via Papalis führte. Offenbar wollte er mich zum Palazzo Orsini auf dem Monte Giordano gegenüber dem Castel Sant’Angelo bringen. Sollte ich dort auf Vitelleschis Rückkehr warten?
Ich konnte das Kapitol mit der Kirche Santa Maria in Aracoeli schon sehen, als Cesare plötzlich sein Pferd zügelte und, statt die Piazza zu überqueren und nach Westen in Richtung Tiber abzubiegen, nach links in eine schmale Gasse hineinritt und sich sofort wieder nach rechts wendete.
Da war er, der Palazzo Colonna - ehemals Residenz von Papst Martin, wehrhafte Burg meiner Familie und Ort meiner Geburt. In der Kirche Santi Apostoli gleich neben dem Palast war ich getauft worden. Ich starrte empor zu den großen Fenstern. Kein Lichtschein erhellte die prunkvoll ausgestatteten Räume. Der Palazzo war verlassen.
Ob Prospero noch in Rom war?, schoss es mir durch den Kopf. Ich musste meinen Cousin wissen lassen, dass ich entführt worden war! Ich musste zur Piazza Navona gelangen und dort an der »sprechenden Statue‹ des Menelaos eine Nachricht hinterlassen! Doch wie?
Cesare ergriff die Zügel und führte mein Pferd zurück zur Gasse, durch die wir zum Palazzo Colonna gelangt waren.
Warum hatte er mich hierher geführt?
»Cesare ...«, begann ich, aber er hob die Hand und gebot mir zu schweigen.
Wir hatten wieder die Straße erreicht. Doch anstatt sich nun nach links zum Palazzo Orsini zu wenden, ritt er geradeaus weiter in eine schmale Gasse, die direkt nach Westen führte.
Wohin brachte er mich? Zum Castel Sant'Angelo? Sollte ich im düsteren Kerker der Engelsburg auf Vitelleschis Rückkehr warten? Während wir dem Weg folgten, besann ich mich. Nein, wenn er mich ins Castel Sant'Angelo bringen sollte, hätten wir nicht den Tiber überqueren müssen. Wir wären westlich des Flusses zum Vatikan geritten, und von dort am Passetto entlang und durch den Borgo zur Engelsburg.
Panik stieg in mir hoch. Er brachte mich nicht in den Kerker der Engelsburg! Ich kannte diese Gasse. Sie führte zum Pantheon und zur ...
Allmächtiger Gott, steh mir bei!
Mein Herz raste, und meine Hände zitterten. Ich zerrte an meinen Fesseln - doch vergeblich. Sie saßen fest!
Cesare überquerte eine Piazzetta und ritt weiter geradeaus, bis er nach rechts abbog und auf einem kleinen Platz sein Pferd zügelte. Wie gelähmt saß ich im Sattel und starrte auf die Basilika und das Dominikanerkloster.
Santa Maria sopra Minerva.
Die Hölle auf Erden.
Wie konnte Cesare mir das antun!
Er sprang ab und warf die Zügel einem herbeieilenden Schergen
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