Der vergessene Strand
Fürsorge, die sie nicht verdient hatte. Irgendwie auch froh, der Peinlichkeit zu entkommen, ihrem Vater alles erklären zu müssen. An diesem heißen Morgen im Juli 1984 aber, als er ihr seinen Fehler gestand, dachte sie, es wäre gerecht, wenn sie ihm ihre eigenen Fehler offenbarte.
Sie dachte, dann sei nun mal alles auf dem Tisch, und sie könnten danach ihr Leben schneller wiederaufnehmen.
Aber sie irrte sich.
Zuerst stockend, dann immer hastiger erzählte sie, was passiert war. Von ihren ersten Tagen in Wales. Wie sie ihm zufällig begegnet war, ohne zu wissen, wie er zu David stand. Wie sie bei ihm im Bett gelandet war und wie sie einen kurzen Moment geglaubt hatte, mit diesem Mann könne sie genauso gut glücklich werden wie mit jedem anderen. Aber er war verheiratet, hatte sogar zwei erwachsene Kinder. Unmöglich, sich dazwischenzudrängen. Und gerade deshalb verbiss sie sich in diesen Traum von einem Leben an seiner Seite, und als sie schwanger wurde, dachte sie, das sei ihre Chance.
Aber er lachte sie nur aus, denn sie zu heiraten, das kam für ihn gar nicht in Frage, er mochte sein Leben, wie es war. Ihre Verzweiflung wuchs. Inzwischen hatte sie David davon erzählt, dass sie ein Kind erwartete, und er in seiner grenzenlosen Naivität fragte nicht, sondern wollte sie heiraten. Er hatte auch keinen Grund, an seiner Vaterschaft zu zweifeln. Und tat es nicht, bis jetzt, da sie ihm erzählte, Patrick sei nicht sein Sohn.
«Und Amy?» Wenigstens die Tochter wollte er sich nicht nehmen lassen. Aber er bemerkte Susans Zögern und schloss die Augen, weil er sich vor der Wahrheit fürchtete.
Sie hatte ihm alles genommen. Nein – er hatte es selbst getan, davon war er überzeugt. Hätte er nur den Mund gehalten. Hätte er bloß nie von Fiona angefangen.
Er zog noch am selben Tag aus dem Strandhaus aus. Viel musste er nicht zusammenpacken. Schon vorher war er mehr Gast als Mitglied in dieser Familie gewesen, und jetzt erst erkannte er diese schmerzliche Wahrheit.
Diese Schmach kam aus dem inneren Kreis seiner Familie. Und er hatte nie auch nur Verdacht geschöpft. Er stellte auch jetzt niemanden zur Rede – er hatte seinen Preis bezahlt, und er wollte sich nicht anhören müssen, wie dumm er all die Jahre gewesen war, weil er nicht genau hingesehen hatte.
Sein Vater war der Einzige, der ihn in den kommenden Wochen besuchte. Er stand eines Morgens vor der Tür. David hatte Fiona bei sich, die ihn über den schlimmsten Schmerz hinwegtröstete. Sie würde nicht lange bei ihm bleiben – sie war ein Vögelchen, das schnell weiterflog. Er aber hatte sich in seinem Schmerz unsterblich in sie verliebt und sollte nach der Trennung von ihr noch jahrelang jenen Wochen nachhängen. Susan aus seinem Gedächtnis zu tilgen, fiel ihm leichter.
«Du hast zwei Kinder», begann sein Vater ein Gespräch, das beide nicht führen wollten. Er saß, wie auch Amy jetzt, in der engen schmalen Küche seines Sohnes und wärmte sich die Finger an einem Becher Tee. David ließ sich lieber vom Whiskey wärmen, von dem er einen ordentlichen Schuss in seinen Teebecher gab. Sein Vater lehnte mit einem knappen Kopfschütteln ab.
«Wenn ich meine Frau richtig verstanden habe, sind es nicht meine Kinder», erwiderte David kühl.
«Ach was. Sie wachsen bei dir auf, ihr seid eine Familie. Wenn du wüsstest, wie viele Kuckuckskinder es gibt! Meine Großmutter zum Beispiel …»
David winkte ab. Die Geschichte seiner Urgroßmutter, die von einem Dienstmädchen aufgezogen wurde, obwohl es nicht die leibliche Mutter war, gehörte für ihn ins Reich der Legenden. «Sie hat mich betrogen.»
«Aber sie hat dir auch diese Kinder geschenkt, und beide sind jetzt verwirrt. Du warst nur einen Tag da, dann bist du wieder verschwunden. Amy fragt jedes Mal nach dir, wenn ich rausfahre. Und Patrick ist ganz verschlossen, er mag mit niemandem reden.»
«Du fährst jeden Tag raus?»
«Irgendwer muss sich doch um die drei kümmern, oder?»
«Hat sie dir alles erzählt? Weißt du, mit wem sie mich betrogen hat all die Jahre?»
Das Gesicht seines Vaters wurde hart. Natürlich wusste er davon, hatte vielleicht schon früher davon erfahren als David, und das war eine schmerzliche Erkenntnis. Dass sogar sein eigener Vater weggeschaut hatte!
Ehe sein Vater antwortete, kam Fiona in die Küche getapst, barfuß, verschlafen, die roten Locken zerwühlt und nur mit Davids Lieblingshemd bekleidet. Sie wünschte leise einen Guten Morgen, entnahm der
Weitere Kostenlose Bücher