Der vergessene Tempel

wahrscheinlich für den Mechaniker hielt. «Ich habe vom Hauptquartier Anweisung, Sie zu fahren, wohin Sie wollen, Sir.»
    «Hat man Ihnen sonst noch etwas gesagt?», erkundigte sich Jackson.
    «Nur dass ich keine Fragen stellen soll.»
    Jackson klopfte ihm auf die Schulter. «Guter Mann. Also, wir müssen zu einem Anwesen namens Villa Pelion. Kennen Sie es?»
    «Nein, Sir.» Kirby zog eine Straßenkarte hervor und breitete sie auf der Motorhaube des Packard aus. Als Grant sich darüberbeugte, stellte er überrascht fest, dass die Beschriftung auf Deutsch war.
    «Die Karten der Griechen sind eine Katastrophe, Sir», erklärte Kirby. «Es ist das Einfachste für uns, die Pläne zu benutzen, die die Krauts hier zurückgelassen haben.»
    Jackson tippte mit seinem Stift auf den Plan. «Da ist es.»
    Kirby machte ein skeptisches Gesicht. «In dieser Gegend sind die Roten ziemlich aktiv, Sir. Im Wagen ist ein Funkgerät – wenn Sie wollen, kann ich Verstärkung anfordern. Es würde wohl eine Weile dauern, aber …»
    Jackson warf einen Blick auf die Uhr. «Keine Zeit. Die bösen Jungs sind auch hinter diesem Burschen her. Bringen Sie uns hin, so schnell es geht.»
    «Ja, Sir.»
    Ehe sie aufbrachen, kramte Kirby im Kofferraum und holte eine Sten-Maschinenpistole mit klappbarem Schaft hervor. Er gab sie Grant, der sich neben Jackson auf den Beifahrersitz gezwängt hatte. «Können Sie damit umgehen?»
    Grant nickte.
    «Halten Sie sie bereit. Für alle Fälle.»
    Sie fuhren aus der Stadt hinaus und zwischen den flachen Weiden und Weizenfeldern hindurch, die die Küstenlandschaft bestimmten. Nach der langen Hungerzeit wuchs endlich das Getreide wieder; die Halme sprossen zwischen den Betonbunkern und dem verbogenen Stahl der Panzersperren, von denen das Land noch immer übersät war. Doch nicht alle Hindernisse gehörten der Vergangenheit an. Dreimal mussten sie an Kontrollpunkten halten, die mit griechischen Soldaten besetzt waren. Jedes Mal wurden sie dank Kirbys Uniform unbehelligt durchgewinkt; jedes Mal gab Jackson den Soldaten eine Kopie des Fotos von Belzig mit der Anweisung, ihn aufzuhalten, falls sie ihn sähen.
    «Wie ist eigentlich der neueste Stand im Bürgerkrieg?», erkundigte sich Jackson, als sie gerade wieder eine Straßensperre hinter sich gelassen hatten. «Gewinnen wir?»
    «Darüber wissen Sie wahrscheinlich besser Bescheid als ich, Sir», erwiderte Kirby, ohne den Blick von der Straße zu wenden. «Ich bin gerade erst angekommen. Offiziell treffe ich sogar erst in drei Monaten hier ein. Aber nach dem, was ich gehört habe, sieht es nicht gut aus. Die DSE …»
    «Was ist die DSE?», fragte Reed vom Rücksitz. Er war etwas bleich wegen der unsanften Fahrt über die schlaglochübersäten Pisten und stemmte einen Arm gegen das Dach des Wagens, um nicht so durchgeschüttelt zu werden.
    «Diemo-kratikos Stratos Eladdas.» Marina verzog das Gesicht, als sie Kirby ihre Sprache ebenso gnadenlos malträtieren hörte wie das Getriebe des Packard beim Schalten. «Die Demokratischen Streitkräfte Griechenlands. Für Sie und mich: Kommies. Nach dem, was ich gehört habe, sind sie auf dem Vormarsch. Sie überfallen nicht mehr nur Konvois, sondern versuchen inzwischen die Städte unter ihre Kontrolle zu bringen. Stalin versorgt sie über Jugoslawien und Albanien mit Nachschub. Und jetzt, nachdem sich die Briten zurückgezogen haben – bitte nehmen Sie das nicht persönlich –, müssen wir alles daransetzen, diese Linie hier zu halten, sonst drängen sie uns bis nach Athen zurück.» Er schüttelte den Kopf. «Verdammt heikle Lage. Aber wir schlagen zurück. Ich nehme an, die meisten dieser Burschen sind nichts weiter als Bauern und Schafdiebe. Die haben doch gar nicht den Mumm zu einer direkten Konfrontation.»
    «Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher», warnte ihn Grant. «Die meisten von ihnen haben ihr Handwerk im Kampf gegen die Nazis gelernt. Und davor waren sie schon fünf Jahre lang im Untergrund, im Widerstand gegen die Metaxas-Diktatur. Die kennen sich verflixt gut damit aus, schmutzige kleine Kriege zu führen.»
    «Ein Glück für sie, dass sie jemanden gefunden haben, der sie mit Waffen beliefert», bemerkte Muir trocken. Er fing eine Sekunde lang Grants Blick im Rückspiegel auf, dann richtete Grant die Augen auf die Maschinenpistole in seinem Schoß. Falls er etwas bereute, ließ er es sich nicht anmerken.
    Ein paar Meilen weiter wand sich die Straße aus der Ebene in die Berge hinauf. Je