Der vergessene Templer
Gemeinsam mit dem Paar ging Dagmar auf ihren Golf zu, der noch immer an der gleichen Stelle stand und auch einen Lichtfleck auf den Asphalt warf.
Dagmar ging schon vor. Der Bericht über den mordgierigen Ritter hatte auch sie vorsichtig werden lassen, und deshalb schaute sie sich genau um.
Eine Gefahr drohte ihnen nicht. Aber wer konnte schon behaupten, dass es so bleiben würde? Es war dunkel. In der Nähe stand der Wald wie eine schweigende Mauer. Er verbarg vieles, und es kam immer auf die Gefühle eines Menschen an, wie man ihn sah. Er konnte romantisch und verwunschen sein, aber auch unheimlich und gefährlich.
Sie öffnete die hinteren Türen, um den beiden jungen Leuten den Platz zu schaffen.
Sie kamen auch. Sie hielten sich aneinander fest. Sven Nolte sprach auf seine Freundin ein, die so aussah, als würde sie nicht zuhören, denn ihr Blick wirkte leer.
Dagmar Hansen achtete nicht auf das Paar. Sie suchte nach anderen Dingen – und war plötzlich von einem Augenblick zum anderen in hohe Alarmbereitschaft versetzt.
Sie hatte etwas gehört. Ein Geräusch, das nicht in die Stille hineinpasste. Wenn ein Tier der Nacht das Unterholz des Waldes durchbrach, war das schon okay, aber nicht mit dieser Lautstärke.
Der Ritter war unterwegs!
In der Nacht täuschte die Akustik. So wusste Dagmar im Moment nicht, woher die Geräusche genau kamen. Jedenfalls nicht von der Straße, aber weiter höher und zurück.
»Beeilt euch«, forderte sie.
»Ja, wir kommen...«
Dagmar achtete nicht auf Svens Antwort, denn es passierte das, was sie befürchtet hatte. Weiter zurück und metermäßig nicht zu schätzen, brach eine Gestalt durch das Unterholz und setzte mit einem letzten Sprung auf die Straße.
Es war nicht zu glauben, und doch stimmte es!
Dagmar Hansen schaute direkt auf den unheimlichen Ritter und auf das Visier, das sein Gesicht verbarg...
***
Sie empfand es selbst als etwas ungewöhnlich, dass sie keinen Schrei ausstieß und irgendwie gar nicht reagierte. Sie blieb sehr cool, beinahe überlegend, und fragte sich, wie es hinter der Visierklappe wohl aussehen würde.
Das Paar hatte Dagmar bereits passiert. Was es tat, war im Moment nicht wichtig, der Ritter hatte Dagmars gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
Er war beileibe keine Halluzination. Von einer Geisterscheinung konnte sie auch nicht sprechen. Einer wie er existierte, und seine verdammte Klinge ebenfalls.
Nach einem kurzen Taumeln hatte er sich wieder gefangen, stand nun mitten auf der Straße und wirkte wie ein Aufpasser, der keinen Menschen durchlassen wollte.
Dem Paar war die plötzliche Stille aufgefallen. Der Wagen befand sich in der Nähe. Obwohl sie hätten einsteigen können, taten sie es nicht. Zuerst drehte sich Sven Nolte, dann war es Sharon Ford, die ebenfalls reagierte.
Sie schauten beide zurück!
Zwangsläufig sahen sie nicht nur ihre Retterin, sondern auch den Ritter, der für sie ein wahr gewordener Albtraum war. Während Sven nichts tat, weil ihn der Schreck starr gemacht hatte, riss Sharon ihren Mund auf.
Sie schrie!
Ein kurzer und schriller Schrei, der jedoch all ihre Emotionen wiedergab. Sie riss sich mit einer wilden Bewegung von der Hand ihres Freundes los, tat dann genau das Richtige, indem sie sich im Auto verkroch und nicht einfach wegrannte.
Im Gegensatz zu ihr blieb Sven Nolte stehen. Er konnte nichts tun. Er sah ungläubig aus. Sein Mund stand offen, aber er sah, dass sich Dagmar Hansen bewegte und ihn plötzlich anschaute.
»In den Wagen!«, schrie sie.
Dagmar Hansen schaute nicht hin, ob Sven ihrem Befehl folgte. Für sie gab es wichtigere Dinge zu tun. Solange der Ritter sich nicht bewegte, waren ihre Chancen vorhanden. Wenn er erst losging und sein Schwert einsetzte, war alles zu spät.
Sharon’s Schrei schien die Starre auch bei der Rittergestalt gelöst zu haben. Plötzlich bewegte er sich. Aber er blieb noch auf der Stelle stehen, nachdem er mit einer knappen Bewegung seine Waffenhand gehoben hatte.
Die Klinge wies jetzt auf Dagmar Hansen!
In der Dunkelheit sah die Gestalt noch gefährlicher aus. Dagmar wusste, dass sie sich davon nicht beirren lassen durfte. Sie musste etwas tun und zog ihre Waffe.
Der Ritter ging vor.
Sie zielte und schoss!
Hätte sie mehr Zeit gehabt, so wäre ein besser gezielter Schuss möglich gewesen. Das traf in diesem Augenblick nicht zu. Außerdem glaubte sie nicht wirklich daran, dass diese Gestalt mit einer Kugel aus der Welt geschafft werden konnte.
Sie bekam
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