Der Vergessene
ich auch.
Aus dem Hängeschrank holte ich die Flasche mit der scharfen Medizin, die wirklich gut gegen derartige Blessuren war. Der Körper war inzwischen trocken geworden, ich rieb mich mit dem Zeug ein, das auf verschiedenen Stellen der Haut brannte. Aber es tat gut. Ich streifte den Schlafanzug mit der kurzen Hose über und ging zurück ins Wohnzimmer.
Ein Blick auf die Uhr. Die zweite Morgenstunde war schon angebrochen. Ein neuer Tag, und ich konnte mir gut vorstellen, dass er entscheidend werden würde. Wir hatten eine Spur, einen Namen, diesen Amos Atkins, den TV-Mann, der immer so locker seine Game-Show durchzog. Ob er das jetzt auch noch schaffte, das war fraglich.
Ich brauchte einen Schluck. Einen kleinen nur. Ich wollte einfach den Geschmack eines guten Malt Whiskys im Mund spüren und auch die Wärme des Getränks erleben, wenn es durch meine Kehle hinab in den Magen rann.
Der Doppelte musste reichen. Mit dem Glas in der Hand durchwanderte ich mein Wohnzimmer. Im Haus war es ruhig, auch von nebenan aus der Wohnung hörte ich keine Stimmen. Sicherlich wurde Suko jetzt von Shaos sanften Fingern gepflegt, doch das alles konnte mich nicht aus dem Konzept bringen.
Es ging um den Engel. Um den Vergessenen. Um einen, der eine Schuld begleichen wollte. Um Lilith ging es auch im Endeffekt. Wenn ihr Name fiel, verging mir das Lachen. Ich wusste, wie böse und grausam sie war. Sie wurde als erste Hure des Himmels bezeichnet, und sie war mit Luzifer fast gleichzusetzen.
Kamuel hatte an ihr etwas gutzumachen. Dabei nahm er keine Rücksicht. Auch nicht auf Menschenleben, das hatten wir bei Sam Elam erleben müssen. Er sah aus wie ein Mensch, aber er besaß die Kraft eines Monsters. Dagegen anzukommen, war verdammt schwer, und das Schwert konnte mir hoffentlich helfen.
Ich holte es aus dem Schrank. Lange hatte ich es nicht mehr eingesetzt. Es sah so aus wie immer. Ich hätte froh über diese Waffe sein müssen und war es im Prinzip auch. Doch bei jedem Anschauen und auch Anfassen wurde mir klar, unter welchen Umständen ich das Schwert des Salomo erhalten hatte. Bei diesem Fall waren meine Eltern umgekommen. Ihren Tod hatte ich noch immer nicht überwunden und war auch noch nicht mit meinen Selbstvorwürfen am Ende.
Ich holte es hervor. Es sah wunderbar aus. Eine lange Klinge, in deren Mitte sich ein goldener Streifen abzeichnete. Der Griff war fest, er lag gut in der Hand, und ich war auch in der Lage, die Waffe sicher zu führen.
Mit beiden Händen hielt ich den Griff umklammert und stemmte die Spitze schräg gegen den Boden. In diesem Augenblick fühlte ich mich wie ein Ritter, und das Schwert selbst schien für mich wie geschaffen zu sein. Es gab mir Kraft. Es tat gut, wenn ich es in den Händen hielt. Da fühlte ich mich sicher.
Noch benötigte ich es nicht. Doch später, wenn es gegen Kamuel ging, würde ich es einsetzen, das stand fest. Jetzt stellte ich es wieder an seinen Platz und schloss die Schranktür.
Danach ging ich ins Schlafzimmer und legte mich hin. Noch immer konnte ich mich nicht so bewegen, wie ich es gern gehabt hätte. Das würde auch noch einige Tage andauern, aber ich wollte nicht klagen. Es hätte auch schlimmer kommen können. Die Dunkelheit des Zimmers lullte mich ein. Meine Lider waren schwer. Ich brauchte Schlaf, doch innerlich war ich noch nicht bereit. Eine Ahnung sagte mir, dass wir etwas falsch gemacht hatten. Für uns war die Nacht beendet gewesen, aber war sie das auch für Kamuel?
Der Gedanke an ihn bereitete mir Sorgen…
***
Beide hatten den Satz des Vergessenen gehört, und beide reagierten anders.
Während Amos wusste, was auf seine Freundin zukam, und sich nicht rühren konnte, verzog sich Carols Gesicht zu einem erwartungsvollen Lächeln. Sie hatte auf diesen Satz gewartet, und sie wartete darauf, dass er noch mehr tat, als sie zu küssen. Am liebsten wäre sie ihm entgegengelaufen und hätte sich dabei auch noch das letzte Kleidungsstück vom Leib gerissen, aber sie tat es nicht und wartete ab.
Er zog nicht einmal seinen Mantel aus. Lässig kam er auf sie zu. Kein Blut tropfte von seiner rechten Hand. Einer wie er schien unverletzbar zu sein.
Amos Atkins schüttelte sich. Er knirschte mit den Zähnen. Der Alkohol hatte ihn etwas benebelt, deshalb musste er sich schon Mühe geben, die Gedanken zu ordnen. Er wusste, mit welcher Gier sich Kamuel die Frau nehmen würde. Diese Engel waren eben so, und dagegen hätte er nicht einmal etwas gehabt, aber Kamuel wollte
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