Der Vergessene
Handy und eine Vase. Das Zeug fiel auf den vor dem Regal liegenden Mann.
Atkins stöhnte. Er wusste, was passiert war. Er konnte von Glück sagen, dass ihn Kamuel nicht getötet hatte. Wahrscheinlich brauchte er ihn noch, und er sagte ihm auch klar und deutlich, dass er einen zweiten Angriff nicht überleben würde.
Dann schaute er Carol an. Ihre Augen glänzten. Sie hatte alles gesehen, aber sie hatte es nicht verstanden, weil sie einfach im Bann dieser ungewöhnlichen Person war. Ihre Augen glänzten wie die eines Teenagers, als sie flüsterte: »Was bist du stark…«
»Ja, das bin ich. Schade, du gefällst mir.«
»Du mir auch!« rief sie ihm ins Gesicht. »Verdammt noch mal, dann nimm mich doch.«
Kamuel schaute auf die nackte Frau nieder, die schräg auf seinem zur Seite hin ausgestreckten Arm lag. Er nickte langsam. Erst als er damit fertig war, gab er die Antwort. »Ja, ich werde dich nehmen, meine Liebe. Ich werde dich so nehmen, wie ich es will. Du bist ein Mensch, du hast etwas in dir, das ich haben muss…« Carol kam mit den Worten nicht klar. Sie gab sich nur hin, und sie schaute schräg nach oben.
Jetzt sah sie, wie er seinen Mund öffnete. Auch das tat er langsam, und es glich schon einem Ritual. Die Lippen klafften immer weiter auseinander, es entstand ein Loch. Carol dachte an die Zunge, die sie beinahe schon gespürt hatte, aber sie war nicht zu sehen, dafür sah sie das Feuer. Es waren tatsächlich kleine Flammen, die im Mund des Mannes tanzten. Sie wusste plötzlich, dass alles anders laufen würde, als sie es sich vorgestellt hatte.
Sie hörte auch den Schrei. Nicht sie nur hatte geschrien, auch Amos konnte sich nicht mehr zurückhalten.
Kamuel kannte keine Gnade. Er war der Wächter der Schreckensengel, machte seinem Namen alle Ehre und küsste sie.
Carol spürte den Druck der Lippen. Da war nichts Weiches, sondern direkt eine brutale Härte. So war sie noch niemals geküsst worden. Sie hing im Griff des Mannes, und sie spürte auch das Feuer, das nicht nur seine Lippen erhitzt hatte, sondern sich jetzt auf den Weg zu ihr machte.
Es drang in ihren Mund!
Schreien konnte sie nicht mehr. Die gewaltige Hitze verbrannte ihr die Kehle tief im Innern, und sie rann weiter in ihren Körper hinein.
Kamuels Mund klebte auf ihren Lippen. Er ließ sie nicht los. Er kostete den ›Kuss‹ bis zum wirklich allerletzten Moment aus und genoss es, sein Feuer in das Leben der Frau hineinströmen zu lassen und es durch die andere Kraft zu verbrennen.
Amos Atkins war wieder auf die Beine gekommen. Er musste zuschauen. Er brachte es nicht fertig, seinen Kopf zur Seite zu drehen.
Was hier ablief, war einfach grauenhaft. Es gehörte zu einem verfluchten Spiel, in das er ebenfalls hineingezogen war, und das er nie mehr in seinem Leben verlassen würde.
Carol bewegte sich nicht mehr. Vor wenigen Sekunden noch hatten ihre Füße gezuckt. Das war jetzt vorbei. Völlig steif lag sie in den Armen des Vergessenen, dessen Mund wieder geschlossen war. Er schaute auf sie nieder. Sein Gesicht hatte einen hochmütigen und auch spöttischen Ausdruck angenommen. So wie er die Person ansah, war sie für ihn schon nicht mehr existent.
Er ließ sie fallen. Sie schlug auf, und Amos zuckte zusammen, als er dieses Geräusch hörte. Kamuel wandte sich an ihn. Carol hatte er längst vergessen. Für ihn existierte sowieso nur eine weibliche Person - Lilith eben. Alles andere machte er nieder. Beide schauten sich an. Amos Atkins tat es wie unter einem Zwang. Er wusste, dass ihm Kamuel etwas sagen wollte. »Ist dir nun klar, dass es in diesem Spiel nur einen Sieger gibt?«
»Ja, ich weiß Bescheid.«
»Gut, sehr gut, denn damit hat dich die Vergangenheit eingeholt. Die Menschen sagen immer, nichts ist wie früher, aber das stimmt bei uns nicht. Es wird wieder wie früher werden. Wie in der uralten Zeit.«
Amos zuckte mit den Schultern. »Ja, wahrscheinlich. Das denke ich auch so. Im Ernst.«
Kamuel legte die Stirn in Falten, was seinem Gesicht einen noch hochmütigeren Ausdruck gab. »Du hast sie gemocht, nicht wahr?«
»Sie war nicht schlecht.«
»Vergiss es. Vergiss alles, was du dir als Mensch aufgebaut hast. Du bist jetzt zu einem Stück Vergangenheit geworden und gehörst zu denen, die unsere Königin Lilith beschützen werden. Es hat für dich keinen Sinn, wenn du dich gegen mich stellst, aber das weißt du ja. Von nun an wird für dich alles anders.«
Amos streckte seine Hand vor. »Das akzeptiere ich. Ich weiß
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