Der Vergessene
ja, zu wem ich gehöre. Aber ich habe mir in diesem Leben einiges aufgebaut. Ich habe einen Beruf.«
»Das weiß ich.«
»Den kann ich nicht einfach so hinwerfen.«
Kamuel zeigte sich amüsiert. »Das sollst du auch nicht. Dein Beruf ist wichtig für mich, keine Sorge. Diene Show beginnt morgen oder heute schon.«
»Stimmt.«
»Zieh sie durch. Mach es wie immer. Noch einmal…«
Amos Atkins wusste, dass etwas passieren würde. Mit leiser Stimme fragte er: »Und dann? Was passiert dann?«
»Überraschung, Amos, Überraschung…« Der Schreckensengel lachte noch einmal auf, drehte sich um und verschwand durch die zerstörte Glastür nach draußen, wo die Dunkelheit der Nacht ihn sehr schnell verschluckt hatte…
***
Am anderen Morgen hatte ich mich aus dem Bett gequält. Das Einreiben hatte zwar etwas gebracht, aber fit war ich nicht unbedingt.
Muskelkater, das Ziehen im Körper, das vergehen sollte, deshalb machte ich auch meine Gymnastik. Danach ging es mir etwas besser. Ich verspürte auch Hunger und hatte tatsächlich noch einige Stunden richtig gut geschlafen. Ein Frühstück brauchte ich mir nicht zu machen, denn Shao rief an und lud mich nach nebenan ein.
»Danke, ich komme.«
Sukos Blessuren waren ebenfalls noch sichtbar. Eine Stelle seines Gesichts sah aus wie geschminkt. Ich musste grinsen, als ich ihn sah, aber er grinste auch, weil ich mich recht steif bewegte. Nur Shao war fröhlich, als sie feststellte: »So sehen also zwei müde und geschlagene Krieger aus.«
Ich winkte ab und ließ mich auf den gepolsterten Rattanstuhl fallen.
»Es kommen auch noch bessere Zeiten, das schwöre ich dir.«
»Aber nicht heute, John. Ich habe gehört, was passiert ist und was ihr jetzt vorhabt. Glaubt ihr wirklich, diesen Vergessenen zurückschlagen zu können?«
»Bleibt uns etwas anderes übrig?«
»Ich denke nur an euren Zustand.«
»Wenn es darauf ankommt, sind wir da.«
»Das ist zu hoffen.«
Shao hatte Eier in die Pfanne geschlagen und auch Schinken gebraten.
Das war zwar kein chinesisches Frühstück, aber mir mundete es besonders. Suko aß ebenfalls, wir tranken Tee und Kaffee, auch Orangensaft, und sprachen nicht über den vorliegenden Fall. Erst als ich die dritte Tasse Kaffee getrunken hatte, kam ich wieder indirekt auf den Fall zu sprechen.
»Es wäre gut, wenn ich mal im Büro anrufe, damit Sir James Bescheid weiß.«
Suko wunderte sich. »Du willst ihm alles am Telefon sagen?«
»Nein, nein, das nicht. Ich möchte nur mit ihm reden, wenn wir dort sind. Die ganze Sache geht in die Öffentlichkeit. Das können wir nicht mehr auf unsere Kappe nehmen. Da brauchen wir Rückendeckung.«
»Habt ihr denn eine Vorstellung davon, was passieren könnte?« fragte Shao.
»Noch nicht.«
»Aber es geht um diesen Atkins, den Moderator, dessen Show heute wieder anläuft.«
»Ja.«
»Dann würde ich ihn an eurer Stelle vorher besuchen.«
Suko tätschelte ihren Arm. »Was denkst du denn, was wir noch alles vor uns haben?«
»War ja nur gut gemeint, und du behandelst mich wie ein Kind.«
Ich war aufgestanden und hatte den Hörer von der Station genommen.
Es war zwar noch etwas früh, aber Sir James gehörte zu den Menschen, denen das Büro ein Zuhause ersetzt. Wir konnten damit rechnen, dass er schon da war. Ich hatte Glück, und der Superintendent wunderte sich über meinen frühen Anruf.
»Es geht auch nur um einen Termin, Sir. Wir werden gleich losfahren und müssen so rasch wie möglich mit Ihnen reden.«
»Um mal in Ihrer Diktion zu antworten, John, brennt der Busch?«
»Fast.«
»Dann kommen Sie sofort.«
Ich lächelte, als ich auflegte. Sir James war ein Mensch, auf den man sich verlassen konnte. Es würde keine großen Probleme geben, denn er würde auch für freie Bahn beim Sender sorgen.
»Fertig?« fragte Suko.
»Ja, lass uns fahren!« Ich drückte mich hoch und musste selbst über meine Bewegungen lachen. »Ich hole noch das Schwert«, sagte ich.
»Bis gleich.«
Ich kam mir schon komisch vor, als ich den Schrank öffnete und das Schwert wieder herausnahm. Andererseits war Kamuel ein mächtiger Gegner, der mit bloßen Händen nicht besiegt werden konnte. Wir mussten auch davon ausgehen, dass wir ihm nicht allein gegenüberstanden und er sich Helfer besorgt hatte.
Shao hatte Suko bis vor die Wohnungstür gebracht. Ihr Lächeln beim Abschied wirkte etwas verkrampft. Sie wusste, dass es kein leichter Gang für uns werden würde. Doch leicht war es bei uns noch nie
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