Der verletzte Mensch (German Edition)
Bewunderung, wie sie mit zusammengebissenen Zähnen ihren Mann weiterhin öffentlich verteidigte. Viele fragten sich nur, wie sie es in jener Zeit schaffte, jeden Morgen aufzustehen und der Öffentlichkeit gegenüberzutreten. Hillary Clinton zitierte gerne ihr Vorbild Eleanor Roosevelt: „Eine Frau in der Öffentlichkeit muss sich eine Haut so dick wie ein Nashorn zulegen.“ [20]
Was kann man selbst gegen die Kränkung tun?
„Was sollst du tun, wenn du im Loch bist?
Aufhören, zu graben!“
Nicht aus jedem Metzgerlehrling, den sein Meister schlecht behandelte, wird ein Mörder. Nicht jeder, der die erwartete Beförderung nicht bekommt, wird arbeitsunfähig.
Nicht jeder, der gefühlskalte Eltern hatte, wird unfähig, selbst eine glückliche Familie zu gründen.
Nicht jeder Betrug endet vor dem Scheidungsrichter mit einem Rosenkrieg.
Nicht jeder Politiker, über den sein Konkurrent schlecht redet, fordert diesen zum Duell. (Wie leer wären dann unsere Parlamente.)
Was unterscheidet Menschen, die an den ihnen zugefügten Kränkungen zerbrechen, von jenen, die sie bewältigen können?
Operettentexte sind wohl nicht gerade die Stellen, an denen man große Lebensweisheiten vermuten sollte. Die Ausnahme, die diese Regel bestätigt, bildet der Satz „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“ aus der „Fledermaus“ von Johann Strauß.
Über allem steht nämlich die Fähigkeit, sich manchmal auch fügen zu können. Manchen fällt es leichter, zu akzeptieren, dass die Welt voll Ungerechtigkeiten steckt und es einem daher immer passieren kann, dass man einige davon abbekommt. Andere können sich nicht mit dieser Tatsache abfinden und fassen jede Kränkung als Verschwörungen des Universums gegen sie persönlich auf.
Einige Persönlichkeitsmerkmale von Menschen, die besser mit Kränkungen umgehen können:
1. Ganz wichtig ist das Urvertrauen. Wer tief in seinem Inneren erfahren hat, dass er ein geliebter und wertvoller Mensch ist, kann Kränkungen leichter wegstecken.
2. Menschen, die zu Selbstständigkeit und Entscheidungsfreude erzogen wurden, besitzen so viel „Ich-Stärke“, dass nicht jeder Angriff ihr Selbstwertgefühl sofort ins Wanken bringt.
3. Wenn Menschen neugierig darauf sind, was es noch für Dinge außerhalb ihres engsten Umfelds gibt, dann tun sie sich leichter als Menschen, die in Enge aufwachsen und sehr zwanghaft orientiert sind.
4. Ein ausgeglichenes Temperament erlaubt auch, heftige Gefühle zu kontrollieren.
5. Menschen mit einer optimistischen Weltsicht haben bessere Chancen, sich gegen die Kränkungen des Lebens zu schützen.
Was spricht dafür, erlittene Kränkungen zu verzeihen?
Es ist ungesund, nachtragend zu sein. Verzeihen dagegen hilft.
Was sich wie ein Kalenderspruch liest, ist das Ergebnis von überzeugenden Studien der angesehenen Stanford-Universität in Kalifornien, die im Kapitel „Die Macht der Vergebung“ ausführlich behandelt werden:
Verzeihen reduzierte Stresssymptome von Kopf- und Magenschmerzen bis hin zu Müdigkeit und Schwindel. Durch Vergebung sanken Blutdruck und Puls, Muskelverspannungen nahmen ab. Auch die seelische Verfassung der 250 Teilnehmer an dem Projekt verbesserte sich. Die Verbesserungen waren nachhaltig und konnten noch nach Monaten gemessen werden. [21] Viele andere Studien bestätigen diese Fakten. Der Weg zur Versöhnung ist kein bequemer Weg. Jeder, der ihn gehen will, hat Hürden zu überwinden. Vergeben kann man nicht nur mit dem Verstand, sondern nur mit dem ganzen Herzen, weil sonst immer ein Groll zurückbleibt. Als Lohn erreicht man am Ziel die Fähigkeit, an die Kränkung denken zu können, ohne die Schmerzen wieder durchleiden zu müssen. Ein großes Risiko gehen Sie nicht ein, wenn Sie verzeihen.
„Wer seinen Nächsten verurteilt, kann irren, wer ihm verzeiht, irrt nie.“
Karl Heinrich Waggerl
Von Löwenmüttern und Leitwölfen
Wie Frauen und Männer unterschiedlich mit Verletzungen umgehen
Der berühmte Marlboro-Mann, der gegen die untergehende Sonne der Prärie reitet, starb im Jahr 1992 im Alter von 51 Jahren an Lungenkrebs. Auch der einsame Wolf in der Wildnis ist vom Aussterben bedroht. Seine zivilisierte Variante, der selbstsichere Mann, der allein alle Herausforderungen des Lebens besteht, ist zunehmend häufig in der Praxis eines Psychotherapeuten anzutreffen – er braucht Rat, um seine Wunden zu heilen. Der Anteil der Männer in der Psychotherapie steigt exponentiell an,
Weitere Kostenlose Bücher