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Der verletzte Mensch (German Edition)

Der verletzte Mensch (German Edition)

Titel: Der verletzte Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Salcher
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konnte. Ich habe ihm auch weiterhin lange E-Mails geschrieben, in denen ich unsere Beziehung zu analysieren versuchte. Er hat mir aber meist nur mit Vorwürfen aus seiner Welt geantwortet. Das Buch ‚Worte, die wie Schläge sind – verbale Misshandlung in Beziehungen‘ von Patricia Evans hat mir sehr geholfen, mich selbst besser zu verstehen.“
    Es dauerte acht Jahre, bevor Karin B. wieder eine Beziehung mit einem Mann beginnen konnte.
     
    „Da man uns verletzt hat, errichten wir eine Mauer um uns herum, damit man uns nie wieder verletzt; und wenn man eine Mauer um sich herum errichtet, (…) wird man nur noch mehr verletzt.“
    Krishnamurti
    Selbstverletzung
    „Das Nein,
    das ich endlich sagen will,
    ist hundertmal gedacht,
    still formuliert,
    nie ausgesprochen.
    Es brennt mir im Magen,
    nimmt mir den Atem,
    wird zwischen meinen Zähnen zermalmt
    und verlässt
    als freundliches Ja
    meinen Mund.“
    Peter Turrini
     
    Jungen brennen, das heißt, sie verletzen sich mit Zigaretten. Männer schweigen und fressen ihr Leid in sich hinein. Sie greifen zu Suchtmitteln, Alkohol oder setzen sich Risiken aus, was aber auch eine Form der Selbstverletzung ist. Tendenziell richten Männer ihre Gewalt eher nach außen gegen andere.
    Frauen richten die Gewalt eher gegen sich selbst. Mädchen ritzen, sie fügen sich mit Rasierklingen blutende Wunden auf den Armen zu. Manche geben sich wahllos kurzen sexuellen Beziehungen hin, um sich danach benutzt zu fühlen. Erwachsene Frauen nehmen oft Schlafmittel, sind depressiv und gehen aus dieser Depression nicht heraus. Sie fühlen nicht mehr, sondern funktionieren nur mehr. Frauen neigen zur Einnistung in ihr Leiden. Herta G. fragt den Mann, mit dem sie schon fast zwei Jahre in einer undefinierten Partnerschaft zusammenlebt, ob man nicht gemeinsam eine Wohnung kaufen sollte. Das „Nein, ganz sicher nicht“ ist erwartbar und trotzdem holt sich Herta G. die Bestätigung ab, dass sie eben in Wirklichkeit keine echte Beziehung hat. Das Verhältnis wird aber trotzdem weitergeführt. Andere flüchten sich in völlig unromantische Zwischenlösungen nach dem Motto: „Der Typ ist zumindest nicht völlig ungut. Und am Sonntag ist es besser, als ganz allein zu sein.“
    Wenn Frauen in Beratungsstellen kommen, erzählen sie häufig vom letzten Eklat und erwarten Mitgefühl und die Bestätigung, dass der andere einfach ein Mistkerl sei. Wenn es dann um die Vereinbarung eines nächsten Termins geht, um mit der konkreten Arbeit zu beginnen, dann fühlen sie sich überlastet, haben keine Zeit. Sie melden sich erst wieder, wenn es zum nächsten Krach gekommen ist. Diese Frauen leben im „Gleichgewicht der Resignation“. Durch die immer stärkere Alleinerzieherrolle der Frauen werden viele durch den kräfteraubenden Alltag immer schwächer und stumpfen emotional ab, fühlen sich aber ihren Kindern sehr verantwortlich, die auch zum wichtigen Lebensinhalt werden.
    Nie jemand anderen verletzen zu wollen, führt irgendwann dazu, dass man beginnt, sich selbst zu verletzen. Frauen sind dadurch besonders gefährdet. Das beginnt oft damit, dass sie nicht rechtzeitig „Nein“ sagen.
    Acht Gründe, warum es Frauen so schwerfällt, „Nein“ zu sagen:
     
    1. Ich will den anderen nicht enttäuschen.
    2. Ich will anderen weiterhelfen.
    3. Es hat etwas mit meiner Ehre zu tun.
    4. Ich bin stark und habe genug Kraft, andere zu unterstützen. Ich halte es aus, wenn sich niemand um mich kümmert.
    5. Ich mache gerne jemandem eine Freude, der es auch zu schätzen weiß.
    6. Ich will zeigen, dass ich gut bin.
    7. Ich habe dem Ideal entsprochen, dass ich mich für andere aufopfere.
    8. Ich möchte, dass die anderen mich gerne haben.
     
    Neben der am Anfang beschriebenen Cinderella spielen Frauen in Märchen oft die leidende Hauptfigur oder gar die Märtyrerin. Diese Vorbilder werden dann auch noch von den Eltern in der Erziehung unterstützt.
    Selbstbestrafung
    Jeder Mensch sucht Anerkennung und fürchtet Kritik. [23] Menschen nehmen sich Kritik viel mehr zu Herzen, als sie sich das von außen anmerken lassen. Ein einziges negatives Wort oder eine Geste kann dann in der Fantasie weitergesponnen werden und den ganzen Tag verderben. Ute B. hat das Gefühl, dass die Präsentation ihres neuen Konzepts in der Personalabteilung sehr distanziert aufgenommen wurde. Sie ärgert sich, dass es offensichtlich nicht gut genug war, obwohl sie zwei Wochen daran gearbeitet hat. Nach Hause gekommen, stopft sie

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