Der verletzte Mensch (German Edition)
von einer liebenden Familie, sondern um die Aufgabe von nicht erfüllbaren Erwartungshaltungen. Ehe ist aber sicher auch mehr als eine Interessengemeinschaft zur Rückzahlung von Kreditraten für die Eigentumswohnung und der Erziehung von Kindern. Und es wäre besser, wenn Paare vor der Ehe verpflichtet würden, zumindest die gleiche Zeit über alle rechtlichen Konsequenzen nachzudenken, wie sie es über die Sitzordnung an der Hochzeitstafel tun. Wie oft musste ich erleben, wenn angehende Brautleute in letzter Sekunde von ernsthaften Zweifeln geplagt wurden, weil dunkle Details aus der Vorgeschichte des Partners aufgetaucht waren oder weil man sich plötzlich doch nicht mehr so sicher war, ob das tatsächlich der richtige Partner fürs Leben sein würde. Dann wurde mit Motivationen wie „Das ziehen wir jetzt durch“ geheiratet, um der Blamage der Absage einer Hochzeit zu entgehen. Alle diese Ehen sind in der Zwischenzeit wieder geschieden.
Heiraten ist gefährlicher als Autofahren
Autofahren kann gefährlich für das eigene und das Leben anderer sein. Daher ist man zu Recht gezwungen, sich ausbilden zu lassen und einen Führerschein zu machen. Kinder in die Welt zu setzen ist sicher eine weit größere Verantwortung als Autofahren. Verpflichtende Eheberatung vor der Hochzeit und ein „Familienführerschein“, um das Kindergeld zu beziehen, sind offensichtlich notwendige Maßnahmen. Die Vorstellung, Händchen haltend mit seinem zukünftigen Ehepartner in einen Ehevorbereitungsseminar zu sitzen und sich eindrücklich die rechtlichen Konsequenzen eines Scheiterns der Ehe erklären lassen zu müssen, hört sich wenig romantisch an und entspricht auch nicht dem Weltbild des selbstverantwortlichen Menschen. Nur das Verleugnen der Probleme ist noch schlimmer.
Die Familientherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger plädiert in Übereinstimmung mit vielen Experten für einen verpflichtend zu besuchenden Scheidungsworkshop, der den Eltern vermitteln könnte, welche Folgen die Trennung für die Entwicklung ihrer Kinder haben werde: „Es macht zum Beispiel einen großen Unterschied, ob die Kinder zwei, sechs oder siebzehn Jahre alt sind. Ein zentrales Thema von Scheidungsworkshops ist auch die Frage, wie beide in Zukunft ihre Elternverantwortung wahrnehmen werden. So kann man oft verhindern, dass aus der Krise, die jede Trennung darstellt, eine Katastrophe für alle Beteiligten wird. Das Schreckensszenario tritt fast immer dann automatisch ein, wenn beide Konfliktparteien ihre gesamten Energien auf ihre eigenen Verletzungen und Interessen konzentrieren. Der Mann versucht dann alles, um finanziell möglichst unbeschadet, oft schon zur nächsten Partnerin, entkommen zu können. Die Frau lässt ihren Rachegefühlen freien Lauf. Die Kinder bleiben in jedem Fall auf der Strecke. Eine externe Begleitung in der Scheidungs- und Nachscheidungsphase kann wesentlich dazu beitragen, Mann und Frau immer wieder mit der Frage zu konfrontieren, was es ihre Kinder ‚kostet‘, wenn sie beide nur knallhart ihre Interessen verfolgen.“
Gute Chancen auf für alle Beteiligten lebenswerte Beziehungen nach der Trennung bestehen dann, wenn es zu keiner inneren Trennung von den Kindern kommt. Damit kann man auch verhindern, dass der alte Witz über das Ergebnis von Scheidungen wahr wird: „Sie bekommt das Kind, er bekommt den Hund, die Anwälte teilen sich das Haus.“
Martina Leibovici-Mühlberger: „Kinder sollte man in einer Ehe nur dann in die Welt setzen, wenn sich das romantische Ideal mit dem Partner tatsächlich verwirklichen lässt oder wenn sich beide die Disziplin und Verantwortung zutrauen, gemeinsam einen sehr langen Weg mit vielen Hindernissen zu gehen, ohne die Nerven wegzuschmeißen, wenn es eng wird.“ Sie selbst hat übrigens vier Kinder und ist seit 20 Jahren mit demselben Mann verheiratet. Ihr Erfolgsgeheimnis ist simpel: „Ich habe wirklich meinen sehr persönlichen Prinzen getroffen, und er seine Prinzessin. Damit ist immer für Spannung gesorgt.“ Hollywood hat also doch recht, manchmal zumindest …
Die Ausgrenzung
Wie wir die Alten erst vom Mittagstisch und dann aus unserem Leben verbannen
Alte Menschen riechen meist nicht gut. Sie erzählen uns immer die gleichen Geschichten und erinnern uns zum hundertsten Mal daran, irgendwelche sinnlosen Erledigungen zu machen. Wenn wir sie besuchen, dann versuchen wir möglichst unauffällig auf die Uhr zu sehen, um nicht zu viel unserer knappen Zeit zu verlieren. Wir
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