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Der verletzte Mensch (German Edition)

Der verletzte Mensch (German Edition)

Titel: Der verletzte Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Salcher
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getroffen hat, dass sie mein Leben massiv beeinflusst hat? Was ist meine eigene tiefste Verletzung, werden Sie sich vielleicht an dieser Stelle fragen. Wo ist mein Weg von der Verletzung zu meiner Stärke?
     
    1. Wir tun alles, um unserer ursprünglichen Verletzung im Laufe unseres Lebens auszuweichen.
     
    Es sind vor allem die Verletzungen, die wir in unserer frühen Kindheit erlebt haben, die uns besonders prägen. Denn wenn man uns damals tatsächlich allein, unbeobachtet gelassen, nicht gefüttert oder gehört hätte, wären wir wirklich gestorben. Wir tun alles, um dieser ursprünglichen Verletzung auszuweichen, weil wir tief in unserem Innersten davor Angst haben, dass wir sie das nächste Mal nicht überleben könnten.
     
    2. Auf den vielen Umwegen entwickeln wir Kompetenzen.
     
    Durch die vielen Umwege und Scheinlösungen, in denen wir der Konfrontation mit unserer Verletzung zu entgehen trachten, produzieren wir immer größere Konflikte. Um in diesen Konflikten bestehen zu können, entwickeln wir, meist ohne dass wir es merken, große Kompetenzen. Daher führt ein Weg von der Verletzung zum Talent. Aber der ist nicht zwangsläufig. Ganz im Gegenteil, hier liegen die entscheidenden Unterschiede zwischen Siegern und Verlierern.
     
    3. Sieger interpretieren Verletzungen anders als Verlierer.
     
    Müsste ich in drei Wörtern den Unterschied zwischen Siegern und Verlierern zusammenfassen, also zwischen Menschen, die aus ihrer Verletzung eine große Fähigkeit entwickeln können, und jenen, die daran zerbrechen, dann wäre es folgendes Prinzip: Selbstverantwortung statt Fatalismus.
    Egal wie tief, egal wie oft, egal wie ungerecht Sieger verletzt wurden, sie fühlen sich nicht als ohnmächtige Opfer. Sieger leiden sicher nicht weniger als Verlierer, aber sie fühlen sich immer als für ihr Leben selbst verantwortlich. Erinnern Sie sich an die Schlüsselszene mit dem kleinen Jungen und dem Fahrrad ganz am Beginn dieses Buches? Trotz aller Ungerechtigkeit dachte er darüber nach, was er in seinem Leben in Zukunft anders machen wollte, damit ihm so etwas nie wieder passieren könnte. Und er wollte auch andere Menschen davor schützen, dass sie wegen mangelnder Sprach- und Rechtskenntnisse in große Schwierigkeiten geraten.
     
    4. Sieger richten ihre Anstrengungen auf ihre natürlichen Talente und nützen diese Stärken für sich und andere.
     
    Sieger richten die Kräfte, die sie antreiben, auf Gebiete, wo sie natürliche Begabungen haben und verschwenden diese nicht auf andere Bereiche. Das ermöglicht ihnen, große Kompetenzen zu entwickeln und schützt sie davor, dass sich die Ängste vor ihren Verletzungen gegen sich selbst richten. Sieger werden sich ihrer Fähigkeiten im Laufe ihres Lebens immer mehr bewusst und können sie zum eigenen Nutzen und für andere einsetzen. Das kann allerdings ein langer schmerzvoller Prozess mit vielen Rückschlägen sein.
     
    5. Sieger geben ihrer Verletzung Sinn.
     
    Die Schlüsselfrage, die sich durch die Biografien der vielen Menschen in diesem Buch zieht, ist, welchen Sinn sie ihren Verletzungen gegeben haben. Es geht dabei gar nicht darum, ob diese Interpretation objektiv richtig ist, sondern ob sie für den einzelnen Menschen Sinn hat. Verletzung bedeutet im Kern immer das Getrenntsein von der Ganzheit. Sieger schaffen es irgendwann, ihre Verletzung zu akzeptieren und sie in ihre Lebensgeschichte zu integrieren. Das ist eine lebenslange Aufgabe, das ist ein beschwerlicher Weg, an dessen Ende aber die Versöhnung mit sich selbst und der Welt steht. Manchmal, wenn wir mit einem geliebten Menschen intensiv zusammen sind oder eine starke Verbundenheit mit der Natur erleben, können wir erahnen, dass es etwas Gemeinsames gibt, wo wir alle eins sind. Das führt uns zum Ursprung aller Verletzungen.
    Auch für David Steindl-Rast ist es entscheidend, dem Schmerz Sinn zu geben. Er war einmal als einziger Christ mit einer kleinen Gruppe von Menschen zusammen mit dem Dalai Lama bei einer Klausur in San Francisco. Einer der Teilnehmer versuchte immer den Dalai Lama zu verleiten, den Umgang des Buddhismus mit dem Leiden gegen die christliche Tradition auszuspielen. Er suchte Bestätigung vom Dalai Lama für seine These: Der Buddhismus hat so wunderbare Praktiken gegen das Leiden gefunden, während die Katholiken sich noch immer im Leiden suhlen. Der Dalai Lama hat das abgewehrt und geantwortet, dass auch der Buddhismus das Leid nicht dadurch überwindet, dass man den Schmerz

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