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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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des Dwargen Gewicht kaum zu belasten, und auch die Gesellen zeigten sich nicht sehr angestrengt. Das ist die Folge endloser Schläge auf einen Amboss und des Hantierens mit Gewichten, dachte Finn, aber es half ihm nicht viel. Er wurde zum ersten Mal in seinem Leben neidisch auf die Muskeln anderer.
    »Lach nur; ich bin halt kein Schmied«, japste er. Seine Beine zitterten, und er bezweifelte, ob sie ihn und die Last in seinen Händen auch nur einen Schritt tragen würden.
    Aber irgendwie ging es.
    Die vier Vahits trugen Glimfáin langsam von der Riedinsel zu dem zwischen den Büschen wartenden Boot. Tallia wanderte, die vergleichsweise leichten Mistgabeln geschultert, hinterdrein. Der Schein der Laterne schwankte im Takt ihrer Schritte.
    Finn behielt während des gesamten Marsches die Mürmel und das gegenüberliegende Ufer im Auge. Halb und halb erwartete er, einen Schatten zu sehen, der sich dort erhob und sie mit den grell aufberstenden Bällen des Feuers von Ulúrcrum bewarf. Doch alles blieb ruhig und still; und als sie endlich im Nachen saßen und ihre schmerzenden Hände rieben, fing er an zu glauben, dass ihm ein abermaliges Zusammentreffen mit dem Ledir erspart bliebe.
    Die Rückfahrt ging leichter und schneller vonstatten als die Herfahrt. Durch das zusätzliche Gewicht lag der Weidling tiefer im Wasser, aber er schaukelte zu Finns Beruhigung weniger. Tallia saß vor Finn und lehnte sich an ihn, während sie Glimfáins Kopf auf ihren Knien ruhen ließ.
    Die drei Schmiede stießen den Nachen ab vom Ufer und überließen dann dem Fluss den Großteil der Arbeit. Nur ab und zu senkte sich ein Paddel herab; den Rest besorgte die Strömung. Abhro steuerte.
    Dünner Schweiß stand auf Glimfáins Stirn, und Tallia beugte sich dann und wann vor und tupfte ihn fort, damit er dem wieder eingeschlafenen Dwarg nicht in die Augen rann.
    Die meiste Zeit aber lehnte sie sich zurück und drückte sich an Finn, der hinter ihr saß, die Beine seitlich an ihr und Glimfáin vorbeigestreckt. Vielleicht macht sie es bloß, um sich an mir zu wärmen, dachte er und hielt einfach still. Erst als sie seine Hand suchte und gleichfalls drückte, begriff er.
    Weil sie mir nahe sein will. Weil sie mir nahe sein will, wiederholte er in Gedanken und wurde ein wenig fassungslos. Ein Gefühl überkam ihn, von dem er nichts wusste und nicht einmalgeahnt hatte, dass es so etwas gab. Obwohl er Tallia Goldammer kaum kannte, erlebte er in ihrem Beisein etwas Atemberaubendes und Beruhigendes zugleich. Ihn durchströmte Vertrautheit, wenn er sie ansah, ihr Lachen hörte, sie roch   … wenn er sie, wie jetzt, so innig fühlte. Weitaus mehr wühlte ihn jedoch auf: etwas, das er sich nicht einzugestehen wagte.
    Während der Fluss friedlich vorbeiglitt, saß Finn stumm da, lauschte den Geräuschen des näherkommenden Waldes und suchte in dem Tumult seiner Empfindungen nach Worten, die ihm helfen konnten, das, was ihm geschah, zu verstehen.
    Es war ungefähr so, als käme er von einer langen Reise nach Hause, voller Freude auf das, was ihn dort erwartete. Was dieses Etwas im Einzelnen war, hätte er nicht zu sagen vermocht; nur wusste er sicher und hatte es immer gewusst, dass es dort sein würde. Es ist dennoch mehr, dachte er. Natürlich, er vertraute auch Mellow, und er hätte seinem Freund bedenkenlos sein Leben in die Hand gelegt, aber das hier war etwas völlig anderes und wenig vergleichbar. Im Falle Tallias war es eine ihm nicht erklärliche, tiefere, innige Vertrautheit, die er ihr gegenüber empfand und die ihn sprachlos machte. Als kenne er sie seit dem Anbeginn aller Zeiten.
    Er hätte ewiglich so dasitzen und Tallias Rücken immerzu an seiner Brust lehnen lassen mögen   – Atemzug um Atemzug   –, während der Fluss unter ihm dahinglitt und es sich anfühlte, als würden sie schweben. Sein Herz schlug, nur eine Handspanne entfernt von dem ihrigen , dachte er wie benommen; und als er darauf achtete, merkte er zu seiner Verwunderung, dass beider Herzschlag im selben Augenblick erfolgte; und er wusste, sie spürte es ebenfalls, und dieses Wissen machte ihn glücklich und froh.
    Die karstige Anhöhe blieb zurück.
    Als sie die Schilfinseln und ihre engen Durchfahrten hinter sich hatten, ging es noch schneller. Die stummen Weidenwächter eilten gleichsam an ihnen vorbei, so wollte es Finn vorkommen,während sie sich selbst überhaupt nicht bewegten. Aber natürlich bewegten sie sich doch, und in viel kürzerer Zeit als vorher trieben sie

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