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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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sie erkannten, dass Finns Freund alles andere, nur kein Vahit war.
    Alle drei hielten sie ihre Mistgabeln in den Händen, die Spitzen nach unten und auf den Dwarg gerichtet, wie Lanzen vor dem tödlichen Stoß. Finn richtete sich auf, stellte sich schützend vor den Verletzten hin und sagte: »Von ihm droht euch keine Gefahr.«
    »Wen hast du denn da gefunden?«, wollte Abhro wissen.
    »Das ist Glimfáin. Er ist ein Dwarg«, warf Tallia ein.
    Finn stellte sie einander vor und sagte dann: »Er ist ein Freund. Und einer der Verbündeten, von denen ich dir vorhin erzählte. Er hat uns gerettet, und wir verdanken ihm unser Leben. Die Angelegenheit mit Tallia war ein Missverständnis.«
    Erst jetzt bemerkte Abhro den Bart und die langen Zopfflechten.
    Obwohl die Flammen ihm mehr als die Hälfte seiner Zier versengt hatten, beherrschten sie Glimfáins Kopf weiterhin.
    »Bei meiner Zange!«, schimpfte Abhro. »Dein Freund ist das haarige Biest! Fast hätt’ ich mir’s denken können.«
    »Er ist ein Dwarg«, widerholte Finn ehrerbietig. »Sein Volk ist älter als das Geschlecht der Menschen. Und wenn dich das schon nicht beeindruckt, so wisse: Auch er ist ein Schmied.«
    Abhro Rabner glotzte sprachlos.
    »Ein Windschmied, um genau zu sein«, fügte Glimfáin krächzend hinzu. Das folgende huorhm, ja ging in einem langen Hustenanfall unter; und selbst Franan in seiner Einfalt erkannte, wie dringend es geboten war, mit dem Verletzten den Heimweg anzutreten.
    Ehe Abhro darauf antworten konnte, zerriss ein langer Raubvogelschrei die Nacht. Hoch oben, weit über ihren Köpfen, kreiste ein Schatten vor den bleichen Sternen. Sie sahen ihn, aber seine Größe war nicht einzuschätzen. Was immer es war, es flog schnell und so hoch, dass sie den Schlag der Flügel nicht hören konnten. Während sie noch schauten, kippte es ab und entschwand über den Fluss nach Osten.
    »Ist er das?« Tallia tastete nach Finns Hand und drückte sie.
    »Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen«, antwortete er. »Aber ich nehme es an.«
    Sie hörten den Schrei in dieser Nacht nicht wieder.

2. KAPITEL
Maúrgin
    » E S IS’ GUT, DICH wach zu finden«, sagte Abhro. »Hier, versuch zu trinken, Herr   … Herr Dwarg. Du wirst Durst haben, denke ich. Hier.«
    Glimfáin nickte. Abhro setzte ihm die Wasserflasche an die Lippen. »Gut so«, sagte er. »Trink weiter, so viel du nur kannst. Ich kenne mich mit Brandwunden ein wenig aus. Und du auch, nehme ich an. Wer wie wir tagein tagaus die Feuer schürt   … Was ich sagen will: Falls dein Körper auch nur annähernd unserm ähnlich ist, so verlierst du Flüssigkeit nach innen, Herr. Deine Arme und Beine werden anschwellen deswegen, fürchte ich. Deinen Innereien aber fehlt das Wasser, das dorthin entflieht. Also trinke, sooft du es kannst.« Wieder nickte Glimfáin bloß, behielt aber die Wasserflasche in seinen Händen.
    »Gut«, meinte der Vahitschmied. »Nun wollen wir uns um deine Beine kümmern, wenn du es gestattest, Herr Dwarg.« Ein drittes Nicken folgte, das aber schon schwächer kam als die vorherigen.
    »Um ein Licht kommen wir jetzt nicht mehr herum«, murmelte Abhro. »Auch wenn dein Herr Jemand zusieht   – ich kann sonst kaum was erkennen.« Er entzündete eine der Laternen und richtete ihren Lichtkreis auf Glimfáins bedeckte Beine.
    Als Finn und Tallia den Mantel anhoben und die drei Vahitschmiede die Brandverletzungen sahen, vergaßen sie in ihrer Betroffenheit alle Fragen und Vorbehalte. Die Mistgabel flogen endgültig zur Seite. »Bei meiner Zange!«, war alles, was Abhro entfuhr. Die Gesellen setzten die mitgebrachten Sachen ab.
    Abhro atmete tief ein. Dann machte er sich umsichtig ans   Werk.
    Leider kenne er sich mit Brandwunden besser aus, als ihm lieb sei, erklärte er, während er mit Wasser die schlimmsten Verschmutzungen säuberte. Ein tadelnder Blick traf dabei seine beiden Gesellen; es sei dies ein Los aller Meister seiner Zunft, wie er meinte. »Zu viel heißes Eisen in der Zange«, knurrte er, »zu viel glühende Kohle auf dem Rost, und zu viel unachtsame Tunichtgute, auf die man immerfort achten muss, damit sie einander nicht bei lebendigem Leibe garbraten, kaum dass man ihnen einmal den Rücken zuwendet.«
    Franan und Giran taten so, als wären sie beschäftigt, und beugten sich wortlos über ihre Siebensachen.
    Abhro ließ sich von Franan einen tönernen Napf reichen. Mit einem kleinen Messer zerschnitt er die Binsen, die das Gefäß luftdicht verschlossen;

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