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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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einziges Rätsel. Niemand außer ihnen hielt sich auf dem äußeren Dreieck des Beukelfelsens auf. Der Zaun war unbeschädigt.
    »Er ist gerissener, als ich annahm«, sagte Circendil und nickte wider Willen anerkennend. »Wenn er nicht freiwillig hinabgesprungen ist, hat er uns ausgetrickst.«
    »Erklärst du mir dann auch bitte mal, wie?« Mellow warf die Arme empor und schien kurz davor zu stehen, sich die Haarezu raufen. Dann entsann er sich seines Hutes und drückte ihn mit beiden Händen nur fester in die Stirn. »Wie konnte er uns nur entwischen? Kein Weg führt hier herab. Außer dem, den wir gekommen sind. Mit nichts ringsum als nacktem Fels. Und lotrechte Abgründe an allen Seiten.«
    »Inzwischen«, seufzte Circendil, »wird es, glaube ich, wirklich Zeit für ein paar frische Mönche, Mellow. Ich gebe zu, er hat mich reingelegt. Ein kleiner, dicker Landhüter, der den Augen eines Davenas entgeht. Es ist nicht zu fassen!«
    Mellow stampfte wütend mit dem Fuß auf. »Ich wollte, ich könnte, wie ich sollte! Es ist zum Aus-der-Haut-fahren! Nicht mal Circendil wird hier eine Spur entdecken können. Zu gern hätte ich Bhobhos Nase auf seinen Rücken gedreht! Mit Steinen werfen! Aber ich kriege ihn! Wenn er mir jemals wieder unter die Finger kommt, zwinge ich ihn, seinen Stab zu fressen! Mein Wort drauf! Ich werde   …« Er verriet ihnen nicht, was er würde, sondern stutzte und bückte sich. »Komm mal her, Herr Wilhag, und leuchte. Was ist   …?«
    Er hob einen Felssplitter auf. Jedenfalls dachten sie das.
    Als das Licht der Fackel darauf fiel, sahen sie zu ihrer Verwunderung einen Edelstein in seiner Hand glänzen. Er war so breit wie zwei Finger und etwa so lang wie ein Vahitdaumen, aber merkwürdig geformt: an einem Ende spitz, am anderen breit zulaufend, ein erstarrter Tropfen aus honigfarbenem Kristall. Seine Oberfläche war an manchen Stellen zu winzigen, glasglatten Dreiecken geschliffen, die funkelten, als ob in ihnen das Bild einer Flamme gefangen wäre. Die anderen Stellen waren stumpf und schlierig. Die Dreiecke waren willkürlich über die Oberfläche verteilt: Sie fanden sich einzeln und zu kleinen Gruppen angeordnet, als habe sich der Steinschleifer nicht entscheiden können, wo er die Schliffe anbringen wollte; oder er habe seinen ursprünglichen Plan mehrfach geändert und ihn am Ende ganz verworfen. Wenn das, was sie vor sich hatten, ein Muster war, dann verstanden sie es nicht.
    »Was ist das?«, vollendete Mellow seinen Satz. Er blickte abermals in ratlose Gesichter.
    »Vielleicht ein Karbeol?«, überlegte Finn. »Jedenfalls dachte ich das im ersten Augenblick. Ich weiß nicht, wieso, aber für mich sieht es irgendwie so aus wie   … na ja, eben wie ein unfertiger Dwargenstein. Zumindest stelle ich mir das so vor. Ein Karbeol, der seinem Schmied unter den Händen missriet, müsste etwa ähnlich aussehen, denke ich: aus der Form geraten und irgendwie hässlich   – wie dieser. Ach, ich weiß es nicht. Ich mag ihn nicht. Du solltest ihn wegwerfen.«
    »Jemand muss hier oben gewesen sein und ihn verloren haben«, meinte Wilhag. »Seitdem wir beide am Nachmittag hier saßen, meine ich. Vorhin jedenfalls lag er noch nicht da.«
    »Es ist höchst sonderbar«, sagte Circendil. »Bei allen meinen Fahrten habe ich dergleichen noch nie gesehen. Aber was es auch ist: Warum liegt der Stein hier? Das ist es, was ich mich frage.«
    »Es kann«, sagte Finn, »nur Bhobho gewesen sein, der ihn verloren hat. Er muss es gewesen sein. Aber wieso sollte er einen solchen Stein überhaupt besessen haben? Woher hat er ihn? Dieses Ding ist keine Vahitarbeit, das wette ich.«
    »Er gehört nicht hierher«, sagte Mellow und drehte und wendete den Tropfen in seiner Hand. Dann richtete er sich auf und starrte in die alles verschlingende Dunkelheit des Sturzes hinaus. »Er sollte zurückgegeben werden«, murmelte er.
    »Ein Vahit, der spurlos verschwindet«, sann Circendil. »Ein Stein, der am selben Ort nicht weniger rätselhaft gefunden wird. Etwas hat das zweifellos zu bedeuten. Nur was? Wenn es ein Zeichen ist, für wen? Weshalb liegt der Stein genau hier?«
    Finn schlug die Arme um sich, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und vermisste seinen Mantel. »Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch nicht, wie ihr so dastehen könnt, ohne zu frieren. Mir jedenfalls ist lausig kalt, und ich will zurück. Doch lasst uns nach meinem Schwert suchen, bitte. Und dann nichts wie ab nach Hause. Bholobhorg kann mir

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