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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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jämmerlich schrie. Auch Furgo lag auf den Dielenbrettern, ein Stück weit entfernt, näher am Kamin, die verletzte Hand krampfhaft nach dem plärrenden Bündel ausgestreckt. Sein Gesicht unter den wirren Haaren zeigte eine Mischung aus Angst, Verzweiflung, Zorn, Pein und völliger Fassungslosigkeit. Er lag mit dem vollen Gewicht auf seinem gebrochenen Bein. Es war nach wie vor geschient, doch die Latten hatten sich verschoben, die Befestigungstücher waren gelockert. Eine Ahnung von Lindertau hing noch im Zimmer. Es war obendrein zu heiß im Raum; zu viel Holz lag in der Feuerstelle, und die Flammen loderten hell. Die Luft klebte von beißendem Brandgeruch.
    Fionwen nahm den schreienden Finnig auf und wich an die Wand zurück.
    Furgo bot ein Bild des Jammers. Immerzu versuchte er, sich mit dem gesunden Arm aufzurichten, doch vergeblich; Schmerzen und Schwäche in den Gliedern fesselten ihn gleichsam an den Fußboden. Nie zuvor hatte Finn seinen Vater in einer derart hilflosen und entwürdigenden Lage gesehen. Der Anblick traf ihn wie ein Schlag.
    Wil schob sich an dem wie erstarrten Finn vorbei und kniete sich neben Furgo. »Was ist denn nur geschehen?«
    »Hilf mir auf, Ewerdarg«, krächzte Furgo. »Etwas ist da mit meinem Bein. Es will mir nicht gehorchen. Ich bin gestürzt. Ich   … ich kann nicht mehr gehen; wie kann das sein? Amie? Warum kann ich nicht gehen? Und wo warst du nur? Ich habe unseren Jungen fallen gelassen. Hör nur, wie er weint. Geht es Finnig gut? Sag, geht es ihm gut?«
    »Ja«, schluchzte Fionwen, richtete sich auf und wiegte das Kind im Arm. »Er ist unversehrt.«
    »Dann ist es gut. Es tut mir so leid, Amie. Du warst fort und kamst nicht wieder. Wir wollen doch abreisen heute Morgen, und nichts ist gepackt. Ich meine, ich machte mir Sorgen. Ich wollte dich suchen. Da verlor ich das Gleichgewicht. Was ist nur mit meinem Bein? Und meine Hand fühlt sich an wie taub, verflixt noch eins. Nun sag deinem Taugenichts von Freund dort schon, Ewerdarg, er soll anfassen und nicht ganz und gar nutzlos beiseitestehen. Ja, du da! Jetzt helft mir auf, ihr kräftigen Vahits   – eins, zwei. «
    Finn trat hinzu, griff seinem Vater unter die Achsel, und bei drei stand Furgo wieder, wenn auch nur auf einem wackeligen Fuß. Sie nahmen ihn in die Mitte, hoben und schoben ihn vorsichtig auf seinen Tragstuhl zurück. Der alte Vahit keuchte und schwitzte. Erleichtert stieß der Meister von Fokklinhand den angehaltenen Atem aus, als er endlich saß.
    »Danke, habt Dank für die Mühe. Wo ist denn dieser wrisilrhiobhafte Heiler? Alle lassen sie mich immerfort allein. Es tut wirklich sehr weh. Aber, Ewerdarg, deine Schwester ist die beste Mutter in Kringerdes Weiten. Mein lieber Schwager: Es kann überhaupt keine bessere geben. Hör nur   – schon weint unser Sohn nicht mehr. Ein Glück. Und sieh nur, wie schön sie ist trotz des Kummers, den ich ihr an diesem Morgen bereite. Verzeih mir meine Ungeschicklichkeit, Amie.«
    »Schon gut, Schwa   …«, sie verbesserte sich, als Wilhag mahnend den Kopf schüttelte, zu »… mein lieber Mann.« Sie warf Finn einen hilflosen Blick zu. Er hob ratlos die Schultern, dann nickte er seufzend.
    Wieder verblüffte ihn die Ähnlichkeit Fionwens mit dem Abbild seiner jüngeren Mutter auf der Tassel   – es ist kein Wunder, dachte er benommen, dass Papa glaubt, Mama in ihr zu sehen. Für das Erste war es wohl das Richtige, Furgo zu beruhigen und ihn in seinem Irrglauben zu belassen. Es war das Einzige, was sie tun konnten. Wenigstens, bis Circendil zurück war und Furgos Verletzungen frisch versorgte. Finn ertappte sich dabei, wie er auf seinen Vater wie auf einen Fremden blickte   – und dabei zu verkraften suchte, dass der ihn nicht erkannte. Er kniete neben dem Stuhl und fühlte sich gleichzeitig meilenweit entfernt. Finns linke Hand ruhte auf dem Karbeol Maúrgins, und er fühlte mit einem Mal beinahe körperlich, wie die Zweifel der letzten Tage von ihm abfielen und ein Entschluss an ihre Stelle trat. Sein Vater musste zurückbleiben, und er würde mit Circendil gehen, wohin dieser Weg auch immer führen würde. Finn straffte sich und richtete sich auf. Es wirkte, als sei er plötzlich größer geworden als vorher. Sein Haupt schien im Schein der hinter ihm tanzenden Feuerschlieren selbst zu leuchten. Für einen Moment wanderten seine Augen in Fernen, die nur ihm ersichtlich blieben. Er bemerkte die verwunderten Blicke nicht, mit denen Fionwen ihn anstarrte.
    Wilhag

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