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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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von krummen Erlen. Danach begann die breite und sorgsam gestutzte Hecke, hinter deren Blättern der dreifache Broch der Werkstatt aufragte.
    Der Dorfplatz lag sonntäglich verlassen da. Die Vahits kannten kein Wochenende im eigentlichen Sinn, doch der Sonntag war der siebente Tag, und der war ihnen heilig. Die Arbeit ruhte und ein jeder ging eigenen Verrichtungen nach.
    Selbst die Gänse dösten in der Sonne.
    Finn lief durch den Erlenschatten, bog zweimal um die Ecke, schritt durch das offen stehende Hoftor und stand dann unversehens vor dem großen Schild mit dem Mühlensiegel und der Aufschrift Fokklinhand .
    Er war tatsächlich wieder zu Hause   – und konnte es selbst kaum fassen.
    Es kam ihm vor, als sei er für Monate, wenn nicht gar für Jahre fort gewesen. Fast wollte ihm der vertraute Anblick fremd erscheinen, obwohl er einen jeden Winkel kannte, und er schüttelte verwundert den Kopf darüber.
    Das runde Wohnhaus seiner Eltern lag indes still im Schatten. Kein Rauch, der aus den Schornsteinen des zeltförmigen, reetgedeckten Daches quoll. Kein Hämmern, Sägen, Feilen und Plappern, das aus der Werkstatt drang. Kein Abbado, der im Hof sein Pfeifchen schmauchte.
    Finn warf einen Blick in den Stall und fand alles Feder- und Kleinvieh wohl versorgt. Futter lag reichlich in den Trögen, die Verschläge der Ponys waren frisch gefegt und gestreut, aber sie standen bis auf einen leer. Alle waren unterwegs, wie es schien: Nur noch Pajega, die älteste Stute, blickte ihn entrüstet an, weil er ihre Mittagsruhe störte. Auch das Gespann, mit dem seine Eltern abgereist waren, fehlte in der Scheune.
    »Mama? Papa?«
    Seine halblauten Rufe verhallten ungehört. Im Haus war niemand.
    Staub tanzte still in der Luft. Alle Tische waren blitzblank gescheuert, wie es Finns Mutter liebte, die Betten waren sorgfältig gemacht und glattgestrichen, das Geschirr abgewaschen und in den Schränken verstaut. Das bedeutete, Furgo und Amafilia waren noch immer nicht zurückgekehrt von ihrer Reise.
    Finn entfachte im Herd ein Feuer und setzte einen großen Topf Wasser auf. Danach bereitete er im Badezimmer den Zuber vor, holte Seife und Handtücher herbei und machte sich dann, als dasWasser dampfte, daran, den Rest des Sumpfes aus seinen Haaren zu waschen. Nur zu gern hätte er gebadet, stundenlang im warmen Wasser gedöst   … Allerdings getraute er sich nicht, die gerade erst aufgelegten Verbände und Pflaster zu lösen.
    So wusch er sich nur sorgfältig und räumte anschließend gründlich wieder auf, ehe er sich oben in seinem Zimmer umzog.
    Er öffnete Schränke und packte weitere Kleider zum Wechseln in eine Tasche mit langem Schultergurt, dazu legte er sich einen wärmeren Kapuzenmantel bereit. Nach kurzem Nachdenken fügte er noch ein Paar Handschuhe und eine große Decke hinzu   – der Herbst würde bald mit weitaus kühleren Tagen aufwarten, und er wusste nicht, wann er wieder nach Hause kam. Dann kramte er das Unterste zuoberst und fand erst nach längerem Suchen   – seltsamerweise tief unter den Socken   – seine Mantelschließe wieder. Eine wertvolle Tassel war es, aus fein gearbeitetem Gold und Silber getrieben, ein Geburtstagsgeschenk seines Vaters.
    Furgo würde toben, wenn er je erführe, wie achtlos sein Sohn damit verfuhr; ungeachtet dessen war sie ein schönes Stück Goldschmiedearbeit. Sie trug auf der einen Scheibe das bekannte Mühlensiegel, auf der anderen ein jüngeres Bildnis seiner selbst, das Finn zu Beginn seiner Tubertel zeigte. Furgo und Amafilia besaßen ähnliche Tasseln, nur dass die ihrigen Abbildungen ihre eigenen Gesichter zeigten.
    Er suchte weiter herum und fand und verteilte alles Geld, über das er verfügte, in mehrere Beutel. In einem Fach entdeckte er ein kleines Fokklinhand -Klappmesser, mit dem er früher viel geschnitzt und das er fast vergessen hatte; er steckte es ebenfalls ein. Seine durchnässten Stiefel tauschte er gegen ein bisher kaum getragenes Paar; dabei erinnerte er sich aus irgendeinem Grund an Circendils nächtlichen Auftritt als Vogelscheuche und suchte noch ein warmes Nachthemd und ein Paar Sandalen zusammen, die er zusammengewickelt zuunterst in die Tasche stopfte.
    Er band Mantel und Decke zu einer festen Rolle zusammen und schnürte sie an der Tasche fest.
    Schließlich gürtete er sich mit Maúrgin über dem Wams.
    Endlich nahm er alles auf und fragte sich, in der Tür verharrend, ob er etwas vergessen habe. Eine seltsame, wehmütige Rührung überkam ihn, und

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