Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
Vom Netzwerk:
der Criarg ist tot.«
    Finn blickte sich verwundert um wie jemand, der aus einem langen, tiefen Traum erwacht. Er fand sich ausgestreckt im nassen Gras liegend, nahe des Flussufers. Es war immer noch Nacht. Es war immer noch windig, und er fror erbärmlich. Das Gras raschelte und bog sich in den Böen. Kaum hatte er das bemerkt, hörte er seine eigenen Zähne klappern.
    »Mir ist kalt«, krächzte er und erschrak über seine eigeneStimme. Seine Atemwege brannten, aber es war kein Feuer, das ihn wärmte. Überhaupt brannte nirgendwo ein Feuer, was in seinen Augen ein unverzeihlicher Fehler war. Sahen seine Freunde denn nicht, wie sehr er fror? Hatten sie gar kein Mitleid mit ihm? Dann wurde er vollends wach und erkannte den Unsinn, der durch seinen Kopf ging. »Wo ist mein Schwert?«
    »Maúrgin ist in deiner Nähe«, antwortete Circendil, »und du bekommst es gleich zurück. Ein paar Dinge sind zunächst wichtiger. Hast du Schmerzen, Finn? Bist du verletzt?«
    »Mir ist kalt«, wiederholte er. »Und mein Hals tut weh. Das Atmen schmerzt. Und jetzt, wo du es ansprichst   – mein Bein, das rechte. Da ist ein Stechen.«
    »Bleib liegen. Ich sehe es mir an.« Finn ließ sich zurücksinken und bemerkte erst jetzt, dass sein Kopf auf einem Polster geruht hatte; es war Mellows Mantel, zu einer Rolle gedreht. Sein Besitzer hockte nahebei und zerzupfte ganze Büschel von Grashalmen. Circendils große Hände betasteten Finns rechtes Bein.
    »Du machst vielleicht Sachen, also wirklich«, sagte Mellow, und es klang weniger entrüstet als erleichtert. »Du kannst einem einen ziemlich großen Schrecken einjagen, damit du es nur weißt! Wir dachten, du seist tot!«
    »Das dachte ich auch. Was ist geschehen?«
    »Das frage ich dich. Wir hörten die Ponys wiehern und eilten sofort zurück. Hufgetrappel und einen oder zwei Criargschreie   – so viel konnten wir ausmachen. Circendil sprang auf seinen langen Beinen voraus, Bhobho und ich immer hinterdrein. Aber als er und ich am Furtlerbroch ankamen, fanden wir ihn verlassen vor. Keine Ponys, kein Criarg, kein Circendil. Und von dir erst recht keine Spur. Da hörten wir den Mönch rufen: Bei Amans Zorn! , rief er. Und: Wehe den Schatten der Nacht! Wir eilten hinzu bis zur Klippenkante. Wir sahen und hörten unten im Fluss einen Criarg kreischen. Womit er kämpfte, sahen wir nicht. Das Wasser wogte und schäumte, weiß wie Schnee. Circendil begriff als Erster, was tatsächlich vorging. Er rief deinen Namen undrutschte kurzerhand den Hang hinab. Noch war er nicht unten am Fluss, da erstarb das Schäumen. Allem Anschein nach war der Criarg tot. Er trieb leblos im Wasser. Circendil stürzte sich hinzu und fischte dich heraus, blass, nass und regungslos. Du hattest mehr getrunken, als du solltest, falls du es nicht weißt. Aber vorher hast du dem Criarg den Garaus gemacht. Circendil begann, deine Arme zu bewegen, als wären es Pumpenschlegel, kaum dass du am Ufer zu liegen kamst; dann presste er deinen Brustkorb immer wieder und wieder, doch das Leben wollte nicht zu dir zurückkehren. Am Ende beugte er sich über dich und hauchte dir ein neues Leben ein; jedenfalls nehme ich das an, denn dieses Mal zeitigte sich ein Erfolg. Endlich gabst du ein Lebenszeichen von dir, wenn es auch kein besonders angenehmes war: Du hast dich über seine Stiefel erbrochen. Nun ja, das ist geschehen, soweit ich es verfolgen konnte. Ich wies oben Bhobho an, die Ponys einzufangen; dann rannte ich zurück zur Straße, um Circendil zu helfen. Was ist mit seinem Bein?«
    Der Mönch schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Er hat schier unglaubliches Glück gehabt. Finn, Aman war mit dir in dieser Stunde! Eine der Krallen hat sich in dein Fleisch gebohrt, doch glücklicherweise nicht tief; die Wunde wird rasch verheilen. Die Abdrücke der übrigen werden dafür noch länger in allen Farben schimmern; die Klauen hielten dein Bein umklammert, und ihre Kraft kommt der eines Schraubstockes gleich.«
    »So fühlt es sich auch an.«
    »Wie kam der Criarg über dich?«
    »Er hat mich überrascht. Ich hörte Schritte und dachte, ihr wärt es. Dann ging alles plötzlich ganz schnell. Ich wollte euch entgegengehen, da sprang Inku aus meinem Arm und   – ach du schwere Not! Der arme kleine Kerl! Wo ist Inku? Ist er nicht bei euch?«
    »Nein. Er ist dir während des Angriffs davongerannt?«
    Finn dachte kurz nach. »Unmittelbar davor, meine ich.«
    »So wird er den Criarg gewittert und sich versteckt haben. Wir werden ihn

Weitere Kostenlose Bücher