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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Ureinwohner berichtet hatten. Und alles, was er von seinem Schiff aus sah, war Terra incognita, unbekanntes Neuland.
    Offenbar war der Begriff »Inka« ein dem König vorbehaltener Titel und die Einwohner des Imperiums »die Inka« zu nennen folglich ein Fehler der Spanier. Von seinen Bewohnern wurde der Staat der Inka Tihuantinsuyu genannt, das Reich der vier Gegenden. Entstanden war er im Jahr 1438 unserer Zeitrechnung unter der Regierung des Inka Pachacuti, des neunten von nur zwölf Inka, die es gegeben hatte, bis Pizarro 1532 kam und den letzten Inka Atahualpa hinterhältig ermordete. Über die Zeit vor dem Inka Pachacuti gab es nur vage und lückenhafte Angaben. Und die Historiker waren sich einig, daß es völlig unmöglich war, die Ereignisse zu rekonstruieren, da die Andenkultur keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen hatte. Natürlich hatten archäologische Funde einiges Licht ins Dunkel gebracht und taten es noch. So war eindeutig geklärt, daß die ersten Menschen vor etlichen Tausend Jahren über die vereiste Beringsee gekommen waren und auf dem amerikanischen Kontinent ansässig wurden . Oder etwa nicht? Nein, denn jüngste Funde zeugten davon, daß der Kontinent über den Seeweg von Polynesien aus besiedelt worden war. Oder auch das nicht? Das war unklar, zumindest hatte die Professorin Anna C. Roosevelt, Leiterin der Abteilung Anthropologie am Field Museum of Natural History in Chicago, kürzlich am Amazonas Tonscherben gefunden. Sie waren unzweifelhaft von Menschen hergestellt worden und etwa tausend Jahre älter, als sie hätten sein dürfen. Damit hatten die früheren Theorien im Grunde ausgedient. Alles in allem widersprachen sich die Erklärungen, die auf archäologischen Funden beruhten, in einigen entscheidenden Punkten. Das Gesamtbild blieb unklar und verschwommen, und die Forscher mußten einer nach dem anderen an irgendeiner Stelle ihrer Bücher einräumen, daß man nichts mit Sicherheit wußte. Schon die nächste archäologische Entdeckung konnte die bisher zusammengetragenen Erkenntnisse über den Haufen werfen.
    Ebenso uneins war man sich, welche historischen Schlußfolgerungen aus den Mythen und Legenden zu ziehen seien, die von den spanischen Eroberern dokumentiert worden waren. Die Mehrheit schien folgender Version anzuhängen: Um das Jahr 1100 unserer Zeitrechnung war eine kleine kriegerische Schar von Inka aus dem Südosten, dem zentralen Hochland der Andenkordillere, nach Norden in das Tal von Cuzco vorgestoßen. Dort führten sie in den darauffolgenden dreihundert Jahren unablässig Krieg gegen die Stämme der Region, bis sie schließlich die absolute Herrschaft errangen. Anfang des 15. Jahrhunderts schufen sie das Reich, das als Tihuantinsuyu bekannt werden sollte und dem Pizarro Anfang des 16. Jahrhunderts ein Ende bereitete. Also wenig Ernte für all die Mühe.
    Und ihre Religion? Die Inka verehrten als höchste Gottheit Inti, die Sonne, als deren Söhne sie sich betrachteten. Allerdings ging diese Vormachtstellung während der Herrschaft des Inka Pachacuti gewissermaßen auf Viracocha über, und beide wurden schließlich eins. Viracocha war ein recht widersprüchlicher Gott. Zwar wurde er »der alte Mann im Himmel« genannt, doch war er angeblich den Wassern des Titicacasees entstiegen und hatte die Menschen gleich zweimal erschaffen, weil ihm das Ergebnis des ersten Versuchs nicht genehm gewesen war: Aus Stein hatte er ein Geschlecht von Giganten geschaffen und ihnen Leben eingegeben. Als sie einander aber wenig später bekämpft hatten, waren sie von Viracocha vernichtet worden. Ich las, er habe Feuersäulen vom Himmel geschickt, anderswo hieß es, er habe sie mit einer schrecklichen Sintflut ertränkt - jedenfalls war die Welt nach dieser Katastrophe dunkel gewesen. Als das erste Menschengeschlecht ausgerottet war und Viracocha die Welt wieder erhellte, indem er Sonne und Mond aus dem Titicacasee zog, errichtete und besiedelte das zweite Geschlecht in der Nähe des Sees die Stadt Tiahuanaco (auch Tiwanacu). Dort findet sich heute die älteste Ausgrabungsstätte Südamerikas. Es gab Dutzende Versionen dieser Geschichte, und abgesehen davon, daß man sich nicht einig war, ob die Schöpfung dieser zweiten Menschen nun vor oder nach der Sintflut stattgefunden hatte - dieses Ereignis hatte in allen Legenden der Anden breiten Niederschlag gefunden -, erstaunte ein kleines Detail an der Geschichte: Viracocha sollte nämlich ein Männlein mittlerer Größe gewesen sein, mit

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