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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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von Liebe und Dergleichen mit Dir gesprochen?«
    »Kein Wort!«
    »Hm! So ist er dumm genug, dümmer als ich dachte. Wie gesagt, ich habe Nichts, gar Nichts gegen ihn, als daß da drüben bei ihm die Armuth zu Hause ist. Ihr paßt nicht zu einander. Ich dachte, ihr wäret im Stillen einig mit einander geworden. Umso besser, wenn es nicht der Fall ist; denn mein Ja hätte ich nicht dazu gegeben. Jetzt weißt Du, woran Du bist, und kannst Dich darnach richten.«
    Er legte sein Arbeitsstück zusammen, zog den Rock an und ging dann, um das Erstere zum Kaufmanne zu tragen. Dies war Seidelmann, in dem Hause mit der Marmorplatte. Der Weber trat durch eine Thür, an welcher das Wort »Contor« zu lesen war. In dem Zimmer stand ein junger Mensch an einem Stehpulte. Er schien mit einem großen Buche beschäftigt gewesen zu sein. Sein Gesicht heiterte sich zusehends auf, als er den Eintretenden erblickte.
    »Ah, Hofmann, Sie sind es!« sagte er. »Wieder ein ganzes Stück fertig gebracht in dieser Woche?«
    »Ja, ein ganzes. Es hat mir aber große Mühe gemacht. Das Garn war ungewöhnlich schlecht.«
    »Oho! Das glauben Sie selber nicht. Sie wissen ganz genau, daß ich für Sie immer das beste Material aussuche.«
    Hofmann machte ein pfiffig ungläubiges Gesicht.
    »Sie zweifeln daran?« fragte der Kaufmann. »Ich darf das gar nicht meinem Vater merken lassen. Na, zeigen Sie Ihre Waare her.«
    Er sah die Arbeit oberflächlich durch.
    »Hm!« brummte er dabei. »Hier haben Sie einen Fadenbruch. Haben Sie ihn nicht selbst bemerkt?«
    »Ich habe ihn gesehen, aber es läßt sich nun nicht ändern.«
    »Das wird aber Abzug geben!«
    »Wegen eines Fadenbruches?«
    »Natürlich! Ein Anderer dürfte mir mit so einem Fehler gar nicht kommen. Ich zahle Ihnen ja bereits mehr als jedem anderen Arbeiter. Für diese Arbeit gebe ich, wenn sie fehlerfrei ist, vier Gulden; Ihnen habe ich fünf gegeben. Wissen Sie, warum?«
    »Nein, Herr Seidelmann. Ich habe gedacht, ich bekomme mehr, weil ich besser arbeite, als Andere.«
    Der junge Kaufmann lachte ihm ironisch entgegen und sagte:
    »Das lassen Sie sich nur ja nicht einfallen. Sie arbeiten nichts weniger als gut. Keiner bringt mir so fehlerhafte Stücke wie Sie. Wenn ich nachsichtig gegen Sie bin, so habe ich meine Gründe. Mein bester Arbeiter ist der Hauser’s Eduard. Er hat nie einen Fehler und bringt doppelt soviel fertig als Sie. Wenn ich ihm trotzdem nicht gut bin, so hat dies auch seine Gründe. Ich werde Ihnen heute zwei Gulden abziehen müssen!«
    Der Weber erschrak. Zwei Gulden, das war für seine Verhältnisse schon ein bedeutendes Geld.
    »Einen Abzug von zwei Gulden!« sagte er. »Das werden Sie mir doch nicht anthun!«
    »Hm! Vielleicht lasse ich mich erweichen, vorausgesetzt, daß Sie verständig sind.«
    »Haben Sie mich jemals unverständig gefunden?«
    »Wollen erst sehen! Sind Sie in der Nachbarstadt bekannt?«
    »So leidlich, Herr Seidelmann.«
    »Kennen Sie das Casino?«
    »Nein. Ich weiß nur, daß eine Gesellschaft junger, feiner Herren diesen Namen führt.«
    »Nun, ich bin Mitglied dieser Gesellschaft. Ich habe diese Herren für nächsten Dienstag nach hier geladen. Wir wollen uns ein Vergnügen machen. Es soll in der Schänke einen kleinen Maskenball geben. Haben Sie schon einmal so Etwas gesehen?«
    »Im ganzen Leben noch nicht!«
    »Also auch noch nicht mitgemacht?«
    »Erst recht nicht.«
    »Nun, ich wollte Ihnen wünschen, einmal Theil zu nehmen. Aber das geht nicht; dazu muß man Geld haben. Aber, da fällt mir ein: Wir brauchen Tänzerinnen. Ist Ihre Tochter einmal auf einem Maskenballe gewesen?«
    »Auch nicht.«
    »Gut, so werde ich sie einladen!«
    Das hatte Hofmann geahnt. Sein Gesicht glänzte vor Freude.
    »Werden auch Andere eingeladen?« fragte er.
    »Von hier? Nein. Meine Freunde bringen ihre Damen mit. Sie kommen Alle per Schlitten. Also, erlauben Sie mir, das Engelchen einzuladen?«
    »O, ich habe ganz und gar nichts dagegen!«
    »Das denke ich! Aber sie muß sich auch maskiren.«
    »Das heißt, sie soll sich verkleiden?«
    »Ja. Ich habe mir bereits ausgesonnen, daß sie als Italienerin kommen soll.«
    »Davon verstehe ich nichts. Sie hat ja keinen Anzug, wie sie ihn dazu braucht.«
    »Den besorge ich. Nur mache ich die Bedingung, daß sie nicht vorher wissen darf, wer sie einladet!«
    »Ich werde nichts sagen, Herr Seidelmann.«
    »Gut! So sind wir also einig. Ich habe erwartet, daß Sie Ja sagen werden, und bereits Alles in Ordnung gebracht. Es ist

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