Der Vermesser (German Edition)
beendet hatte, schwoll der Tumult erneut an. Er nickte seinem Gehilfen abermals zu und nahm am oberen Ende der Arena Platz.
Im nächsten Moment sprang ein Mann mit einem großen Terrier in den Ring. Hund und Sekundant trugen einen borstigen Pelz von gräulicher Farbe. Der Hund wand sich so aufgeregt in den Armen des Sekundanten, dass der ihn nur mit Mühe festhalten konnte. Er murmelte dem Tier etwas ins Ohr. Dann packte er ihn um die Brust und kauerte sich nieder, den Hund zwischen den Knien. Dieser ließ die Ratten nicht aus den Augen, Geifer tropfte ihm aus dem Maul. Der Sekundant flüsterte ihm ein letztes Mal etwas zu, bevor er ihn losließ, worauf der Hund den Kopf herumwarf wie eine Schlange. Dann, mit einem kurzen Bellen, fast als wollte er sich räuspern, stürzte er sich auf den Rattenhaufen und stieß die Schnauze hinein. Als er den Kopf herauszog, hatte er eine große schwarze Ratte am Genick gepackt. Quiekend wie kleine Ferkel rannten die anderen Ratten hektisch im Kreis umher oder versuchten, sich zwischen den Fußbodendielen hindurchzuzwängen. Doch der Terrier achtete nicht weiter darauf, sondern biss mit einer schüttelnden Kopfbewegung einmal und dann noch ein zweites Mal so kräftig zu, dass Blut über die weißen Wände der Arena spritzte. Eingesperrt in seinen Kreidekreis, feuerte der Sekundant mit fuchtelnden Armen den Hund an weiterzumachen. Der Terrier warf den Kopf ein letztes Mal hin und her, bevor er die Ratte widerstrebend fallen ließ. Die Ratte zuckte, ihr Schwanz zitterte, dann blieb sie reglos liegen. An ihrem zerfleischten Hals schimmerte Blut, leuchtend wie frische Farbe.
Im nächsten Augenblick packte der Terrier schon sein nächstes Opfer. Diesmal war er schneller, schon schleuderte er die tote Ratte fort und stürzte sich auf eine neue. Die Zuschauer waren in höchster Erregung, der Sekundant schien außer sich. Schweiß tropfte ihm von der Stirn, während er seine Befehle brüllte, die borstigen Haare seines Pelzmantels standen hoch wie die Stacheln eines Stachelschweins. Währenddessen fuhr der Terrier mit seinem blutigen Gemetzel fort. Nur eines der Biester machte ihm zu schaffen. Die Ratte wehrte sich verzweifelt in seinem Maul, wand sich hin und her und verbiss sich in die Hundeschnauze. Irritiert durch diesen unerwarteten Widerstand, zögerte der Hund, jedoch nur einen Augenblick. Mit einem abrupten Schlenker des Kopfes schmetterte er die Ratte mit voller Wucht gegen die Wand der Arena. Als sie zu Boden fiel, hinterließ sie auf der weißen Fläche einen dunkelroten Fleck.
»Aus!«
Als der Sekundant mit den Fingern schnippte, setzte sich der Hund umgehend auf die Hinterbeine, das behaarte Maul blutverschmiert. Der Sekundant hob ihn über die Schranke und reichte ihn seinem Besitzer, der ihm über die Ohren streichelte und zärtlich den Kopf kraulte, während sich ein Kreis von Bewunderern um ihn scharte, um ihm und seinem Hund anerkennend auf den Rücken zu klopfen. Der Hund keuchte glücklich und leckte seinem Herrchen die Wangen. Fetzen von Fell und rohem Fleisch steckten ihm zwischen den Zähnen. Auf dem blutverschmierten Kampfplatz lagen die Rattenkadaver wie Dungfladen. Dazwischen beschnupperten die noch lebenden Ratten gelangweilt die Wände des Rings oder setzten sich auf die Hinterbeine, um sich mit den Vorderpfoten das Gesicht zu putzen.
Als das Getöse abebbte, blickte Tom auf seine Hände. Er hatte die Bretterwand des Rings so fest umklammert, dass deren scharfe Kanten eine tiefe Spur in seine Daumenkuppen gegraben hatten. Seine Handteller glänzten schweißnass.
»Sieh mal einer an. Na, gefällt dir der Kampf?«
Brassey stand dicht neben Tom, die Hände vor dem Bauch gefaltet, die Beine gespreizt. Hinter ihm packte der Gehilfe die Rattenkadaver an den Schwänzen und warf sie in eine Ecke.
»Deine Ratten haben ja nicht gerade viel Widerstand geleistet, was?«, höhnte Brassey. »Hätten sich auch gleich hinlegen und sich selbst die Kehlen durchbeißen können. Wenn du dir einbildest, ich würde einen Penny pro Stück für …«
Brassey unterbrach sich, abgelenkt von der aufkommenden Unruhe im Eingangsbereich. Plötzlich strahlten seine Äuglein und wurden kugelrund, erhellte sich seine finstere Miene zu einem süßlichen Grinsen. Er schob Tom beiseite und eilte den Neuankömmlingen entgegen.
»Captain!«, säuselte er wie ein junges Ding. »Freut mich, Sie zu sehen, mein lieber Freund. Herzlich willkommen auch Sie, Sir«, fügte er an einen zweiten, ihm
Weitere Kostenlose Bücher