Der Vermesser (German Edition)
»Mr. Lovick versicherte mir, dass sie so exakt sind, wie man es zu diesem Zeitpunkt erwarten kann.«
Hawke starrte William wütend an und hielt ihm dann den Stapel Papiere vor die Nase.
»Das ist unmöglich! Es gibt hier in London Ziegeleien, die verlangen für das gleiche Material nur halb so viel. Oder sogar noch weniger. Etwa die Ziegelei Alfred England, um nur eine zu nennen. Sie werden diesen Unsinn mit Strowbridge bleiben lassen und eine hiesige Ziegelei beauftragen, und zwar die von Alfred England, verdammt noch mal, oder ich sorge dafür, dass Sie sich vor dem Ausschuss verantworten müssen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Er knüllte die Schriftstücke zu einer Kugel und warf sie in den Papierkorb. William widerstand dem Drang, sie wieder herauszufischen.
Ein Muskel in Hawkes Wange zuckte, als er sich über seinen Schreibtisch beugte. »Haben Sie vielleicht die Absicht, Mr. May, dieses Projekt zum Scheitern zu bringen? Oder möchten Sie womöglich aus einem Vertrag mit Strowbridge persönlichen Vorteil ziehen? Ist es das? Sie sind beteiligt, stimmt’s? Mit wie viel, May? Ein paar hundert? Mehr, nicht wahr? Einige tausend?«
William verschlug es den Atem. Er sah ein, dass Hawke gezwungen war, ihn bei Entscheidungen dieser Art unter Druck zu setzen, um sicherzustellen, dass das Geld des Amtes ordnungsgemäß verwendet wurde, aber eine solch niederträchtige Beschuldigung vorzubringen und nicht nur Williams Sachverstand, sondern auch seinen guten Ruf und seine Ehre anzuzweifeln! Die Wut kochte in seiner Brust. Aber gleichzeitig war er sicher, dass Hawke genau darauf spekulierte – dass er die Beherrschung verlieren würde. Doch diesen Gefallen würde er ihm nicht tun. William ballte die Fäuste und holte tief Luft.
»Gewiss haben Sie davon Kenntnis, Sir«, erwiderte er ruhig, »dass der Ausschuss klar und eindeutig verfügt hat, sämtliche Verträge ausschließlich nach Maßgabe der Materialqualität abzuschließen. Und wie wir in der Vergangenheit bereits wiederholt erörtert haben, genügt keine Londoner Ziegelei den von Mr. Bazalgette festgelegten Anforderungen.«
»Wollen Sie sich über mich lustig machen, Sie unverschämter Kerl?«, sagte Hawke. »Alfred England soll nicht in der Lage sein, Backsteine herzustellen?«
»Die richtigen Backsteine herzustellen, Sir.«
»Dann, verdammt noch mal, ist es Ihre Aufgabe, ihm zu zeigen, wie man das macht!«
»Das ist ganz unmöglich, Sir. Das Verfahren, nach dem Strowbridge Backsteine produziert, ist nämlich durch ein Patent geschützt.«
»Durch ein Patent? Als ob das ein Hinderungsgrund wäre …!« Hawke fuhr sich ungläubig mit der Hand über die Stirn, bevor er sich ein leises, kühles Lächeln jener Art erlaubte, die Lehrer gegenüber hoffnungslos beschränkten Schülern an den Tag legen. »Ich will Ihnen etwas sagen, Mr. May. Patente sind … nun, sagen wir, es gibt keinen Grund, weshalb sie unsere Projekte behindern sollten. Sie haben diese Ziegelei besucht, oder? Und Sie kennen die Methoden, nach denen dort gearbeitet wird. Na also. Alfred England ist eine alteingesessene und angesehene Firma und bereit, uns äußerst günstige Bedingungen anzubieten. Wenn wir die Techniken von Strowbridge übernehmen, müssen wir eben die notwendigen Vorkehrungen treffen, um nicht direkt – wie soll ich sagen – gegen das Patentrecht zu verstoßen. Patente, Mr. May, sind bekanntlich nur schwer zu schützen. Wenn das das einzige Hindernis ist …«
»Ich fürchte, so einfach ist es nicht, Sir«, sagte William. »Selbst wenn wir das Patent missachten, was meiner Meinung nach ein Verstoß gegen Recht und Gesetz wäre, besteht die Schwierigkeit, dass die Backsteine in Strowbridge mit einer ausgeklügelten Technik gebrannt werden, zu deren Vervollkommnung man Jahre gebraucht hat. Und selbst wenn wir in der Lage wären, diese hochkomplizierte Methode zu kopieren, wäre es in der Zeit, die uns zur Verfügung steht, gewiss unmöglich, ausreichend Backsteine der erforderlichen Qualität herzustellen …«
»Genug!« Hawke schlug mit der Faust auf seine ledergebundene Kladde, wodurch mehrere Papierstapel bedenklich ins Wanken gerieten. Ganz langsam beugte sich Hawke über den Schreibtisch, bis seine Nase fast die von William berührte. Hawkes dunkle Augenbrauen glänzten frisch geölt. Er roch streng nach Schweiß und Wirtshaus.
»Hören Sie mir gut zu, May«, stieß er knurrend hervor. Speichel sammelte sich in seinen Mundwinkeln. »Ich habe
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