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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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oder etwa nicht? Er war gesund. Die Messungen, die er für seine Berechnungen brauchte, würden erst in einigen Tagen benötigt. Er würde warten. Es war klüger zu warten. Der Nachmittag wurde langsam dämmerig, und immer noch marschierte durch seine Nische die Parade der Hauptbücher, in ihrem Schlepptau die Schreiber, angebunden mit lederummantelten Ketten, die an ihren Gürteln hingen. Von Zeit zu Zeit griff William in seine Jackentasche, um über den Ledereinband seines Skizzenbuchs zu streichen. Der Einband war warm und sanft wie eine Wange. Kurz nach sechs Uhr brachte ihm ein Junge Suppe in einer Emailschüssel. William hob den Teller, mit der sie zugedeckt war, und roch. Sie duftete köstlich, kräftig und fleischig. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen.
    »Mr. Lovick hat mich geschickt, Sir«, sagte der Junge strahlend und zog aus seiner Tasche einen in Papier eingeschlagenen Kanten Brot mit Käse. »Weil Sie so lange arbeiten und so.«
    William verzehrte das Mahl dankbar und wischte sich die Finger sorgfältig mit dem Taschentuch sauber, um auf den Unterlagen keine Fettflecken zu hinterlassen. Als er schließlich das Licht löschte, war es fast acht. In der Greek Street peitschte ihm ein böser Wind ins Gesicht und ließ seine Hosenaufschläge flattern. Zwar hatte es aufgehört zu schneien, doch die Straßen, die tagsüber durch das geschäftige Hin-und-her-Eilen der Passanten aufgeweicht und zerfurcht worden waren, begannen jetzt wieder zu vereisen und waren tückisch. Vorsichtig tastete sich William durch die Princes Street. Vor Erschöpfung war ihm ganz schwindelig. Kutschen tauchten wie aus dem Nichts aus der gelblichen Dunkelheit auf, das Rasseln ihrer Räder drang gedämpft durch den Schneeteppich, und die blassen Kugeln der Gaslaternen zitterten auf ihren Eisenmasten wie Löwenzahnköpfchen. Die Straßen waren leer, und die wenigen Menschen, denen William begegnete, duckten sich in ihre Mantelkragen. William sehnte sich danach, endlich zu Hause zu sein. Als er einen schmalen Hof Richtung Fluss durchquerte, rutschte er auf dem gefrorenen Schlamm aus und wäre gestürzt, hätte ihn nicht ein Mann am Arm gepackt und festgehalten.
    »Mr. May.«
    Eine leise, heisere Stimme. Verblüfft wandte sich William zu dem Fremden um. Er trug einen Pelzhut, den er sich tief über die Ohren gezogen hatte, und sein Atem hüllte seinen Backenbart in Dampfwölkchen.
    »Mr. England?«
    »Das alles war ein Versehen. Ein Missverständnis. Der Vertrag …«
    William schüttelte den Kopf. In dem düsteren Torweg war ein Scharren zu hören. Vorsichtshalber legte William die Hände auf die Taschen, in denen sich seine Geldbörse und sein Taschentuch befanden. Das Viertel war berüchtigt für seine Diebe.
    »Mr. England, es war kein Missverständnis. Ich habe meine Position klar dargelegt. Die Sache ist erledigt.«
    So energisch, wie es der vereiste Pfad erlaubte, machte sich William daran weiterzugehen, doch England packte ihn am Handgelenk. Sein Griff war so fest, dass es schmerzte.
    »O nein, das ist sie nicht, Mr. May. Keineswegs.«
    »Es hat keinen Sinn, mich unter Druck zu setzen, Mr. England. Die Baubehörde wird Ihr Angebot nicht berücksichtigen. Nichts, was Sie sagen oder tun, kann daran etwas ändern.«
    »Nein?«
    »Lassen Sie meinen Arm los«, sagte William frostig. »Oder ich rufe nach der Polizei.«
    »Hier?« England drehte William den Arm auf den Rücken. »Es heißt, Abwasserkanäle sind lebensgefährliche Orte. Die Flut kann ganz unerwartet hereinströmen. Dort unten in der Dunkelheit erwischt es den Mann, noch ehe er einen Gedanken darauf verschwenden kann. Die Flut schleudert ihn so brutal an die Mauer, dass es aus ist mit ihm und danach nicht mal mehr die eigene Mutter diesen Scheißkerl wiedererkennt. So hat man mir erzählt.«
    »Sie können mich nicht einschüchtern, Mr. England.«
    »Dann sind Sie also ein noch größerer Narr, als es den Anschein hat. Sie haben doch ein kleines Kind, stimmt’s, Mr. May? Einen Jungen, richtig? Schrecklich, wenn ihm etwas zustoßen würde.«
    »Nehmen Sie Ihre Hände von mir!«
    »Sie können doch nicht den ganzen Tag auf Ihre Familie aufpassen, stimmt’s? Und in London geschehen schreckliche Unfälle.«
    Da zersprang die gläserne Taubheit in Williams Schädel, und die Schwärze überflutete ihn. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, stieß er mit dem Kopf nach hinten in Englands Gesicht. Ein dumpfes

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