Der Vermesser (German Edition)
bewegte sich nur noch eine einzige Ratte im Ring. Sie beäugte Lady verdrießlich, bevor sie sich in der entfernten Ecke aufsetzte und anfing, sich mit ihren rosa Pfötchen die Spürhaare zu putzen. In aller Ruhe, als wären sie beide allein in den Tunneln, kniete Tom nieder und streckte Lady die Arme entgegen. Sie warf sich hinein und lächelte ihn an, und ihr Schwanz zeichnete ein Muster auf den blutüberströmten Boden. Tom schloss die Augen. Sein Herz schlug zum Zerspringen. So verharrten sie, während Brasseys Gehilfe neben ihnen die Kadaver in seinen Korb zählte. Sie sahen nicht hinüber zu der Loge, wo der Captain grinste und nickte und seinen Freunden die Hand schüttelte, sofern sie noch dazu imstande waren. Sie hatten es geschafft. Lady war ein Champion. Sie würde mit dem Captain nach Hause gehen, und Tom würde als reicher Mann seiner Wege ziehen. Tom lief das Wasser im Mund zusammen, und vor seinen Augen verschwamm alles.
»Neunzehn!«, verkündete der Bursche und warf den letzten Rattenkadaver in seinen Korb.
Die Menge tobte. Es dauerte eine Weile, bis Brassey sie wieder beruhigt hatte. Die Gewinne würden im Schankraum unten im Erdgeschoss ausbezahlt, verkündete er. Hinter ihm auf der Treppe erscholl Stiefelgetrappel, während im Umkreis der Arena immer noch Kampfbegeisterte in Grüppchen zusammenstanden und lebhaft debattierten – über die lautlose Hündin und den vermutlichen Reichtum, den der Kanaljäger mit dem Wettgeld des Captain gewinnen würde, über die Frage, ob es wirklich wahr sei, dass dieselbe Hündin bei dem alten, inzwischen verstorbenen Jeremiah, dem Omnibuskutscher, so kläglich versagt hatte, über ihren Stammbaum und darüber, ob es noch andere Hunde gab, die man zu so hervorragenden Kämpfern machen könnte. In all dem Trubel saß nur ein einziger Mann stumm und reglos da, den Kopf so stark nach vorn gebeugt, dass die Halswirbel hervortraten. Der Hund, den der Alte im Schoß hatte, war kaum zu sehen.
»Eine beeindruckende Darbietung.«
Neben Tom stand breitbeinig der Captain und streckte ihm die Hand entgegen. Widerstrebend griff Tom danach und schüttelte sie, ohne dem anderen in die Augen zu sehen.
»Einhundert Guineen«, sagte Tom mit versagender Stimme. Er räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Einhundert Guineen.«
Der Captain lächelte sein Wolfslächeln und beklopfte seine Manteltaschen.
»Das ist viel Geld«, sagte er kühl. »Besser, wir regeln die Sache unter Ausschluss der Öffentlichkeit, meinst du nicht auch?«
Lady in den Armen, folgte Tom dem Captain die Treppe hinunter in den Schankraum, wo Brassey an einem kleinen Tisch saß und an seinem Bleistiftstummel leckte. Als er den Captain kommen sah, verscheuchte er die Straßenhändler, die sich um ihn geschart hatten, zog mit großer Gebärde einen Stuhl heraus und wischte die Sitzfläche mit seinem Taschentuch ab.
»Schon gut«, murmelte der Captain. »Also, Brassey, jetzt zu dieser Wette.«
»Ja, ja, die Wette«, pflichtete Brassey dienstbeflissen bei. »Wir müssen die Wette regeln.«
»Einhundert Guineen, Tom, ist eine beträchtliche Summe. Eine Summe, die, wie ich schon oben zu Mr. Brassey sagte, zu groß ist, als dass ich sie in einer Taverne wie dieser mit mir herumtragen könnte.« Der Captain entblößte die Zähne. »Ich habe mich bemüht darzulegen, nicht wahr, Mr. Brassey, dass angesichts der beklagenswerten Lage Ihres Lokals und der verbrecherischen Gelüste Ihrer Gäste eine sichere Übergabe von Wertgegenständen egal welcher Art nicht zu gewährleisten ist.«
»Ganz recht, ganz recht«, nickte Brassey, als hätte der Captain ihm soeben ein großes Kompliment gemacht.
»Und außerdem, wer hat je gehört, dass ein Wetteinsatz dieser Größenordnung in einer einzigen Summe ausgezahlt wurde?« Der Captain zuckte die Schultern. »Deshalb schlage ich vor, wir regeln die Sache, wie es in nobleren Etablissements als diesem hier üblich ist. Ich habe vierzig Guineen bei mir. Vierzig Guineen«, wiederholte der Captain, als wolle er Tom und Brassey die Größe dieser Summe verdeutlichen, und beklopfte seine Manteltaschen. »Als Anzahlung ist es ein hübsches Sümmchen, da werden Sie mir sicher zustimmen. Tom erhält dieses Geld sofort, und ich nehme den Hund mit. Den restlichen Betrag werde ich in zwei Raten zu jeweils dreißig Guineen bezahlen, die erste nächste Woche, die zweite eine Woche später. Ich hoffe, du bist mit einer solchen Regelung einverstanden?«
Er tippte sich an den
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