Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
Vom Netzwerk:
die Stadt würde ihnen eine Zukunft bieten. Junge
    Burschen, die grundsätzlich in die falsche Richtung schauten,
    wenn Gefahr im Verzug war. Der Captain brauchte nur zu nie-
    sen, und so ein Bürschchen würde weggepustet wie nichts. Aber
    das war Tom jetzt egal. Er brauchte den Anwalt nicht mehr. Da
    konnte er sich drehen und wenden, wie er wollte, es würde Tom
    nicht mehr kümmern. Heute Abend würde Lady im Badger sein.
    In ein paar Stunden würde er sie wiedersehen. Er w
    e
    ürd sie strei-
    cheln. Sein Magen krampfte sich zusammen.
    Und er würde den Captain wiedersehen. Es war Zeit, dass
    Tom die Verhandlungen selbst in die Hand nahm. Die Briefe
    waren wieder da, wo sie hingehörten, sicher verstaut in seinem
    Versteck in den Tunneln. Tom war fest entschlossen, Kapital da-
    raus zu schlagen. Laut Joe hatten beim Anblick der Briefe die
    Augen des Anwalts gefunkelt wie ein Schaufenster des Kaufhau-
    ses Moses & Son. Besonders einen hatte er mehrmals gelesen,

    372
    mit leuchtenden Augen und hochroten Wangen, als wär̕s eine
    geheime Botschaft von seiner Liebsten. Joe hatte die Finger kna-
    cken lassen und gelacht. Es sei richtig anstrengend gewesen, be-
    richtete er Tom, den Brief hochzuhalten, damit der Anwalt ihn
    immer und immer wieder begaffen konnte; und mehr als einmal
    habe er ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legen müssen,
    damit er sich zusammennahm und seine gierigen Hände flach
    auf den Tisch legte, wie sie es vereinbart hatten. Wenn Joe es zu-
    gelassen hätte, wäre der Anwalt mit den Unterlagen auf und da-
    von, bevor er noch piep hätte sagen können. So wie̕s aussah, war
    der Anwalt so scharf auf die Schriftstücke, dass er sogar bereit
    war, ihm dafür den Hund zu besorgen. Wie viel sie dann wohl
    dem Captai
    n wert sein mochten? o
    D ch bestimmt i
    e nen Hund
    und vierzig Guineen? Ein günstiger Preis.
    Um sieben Uhr fand Tom sich im Kaffeehaus ein. Nicht weil
    er erwartete, dass der Anwalt Lady mitbringen würde, sondern
    weil er mit dem Captain härter würde verhandeln können,
    wenn er noch mehr erfuhr. Die Briefe hatte er nicht mitgenom-
    men. In ihrem Versteck waren sie sicherer. In dem Moment,
    als er durch die niedrige Tür eintrat, sah er einen weißen Hund,
    der zusammengerollt unter einem Tisch in einer Ecke lag. Sein
    Atem stockte, und sein Herz schlug heftig gegen die Rippen, be-
    vor er erkannte, dass es nur eine griesgrämige Bulldogge war,
    die mit Lady nicht die geringste Ähnlichkeit hatte. Mit einem
    leisen Fluch spuckte er auf den sägemehlbestreuten Boden und
    wartete.
    Der Anwalt verspätete sich. Und er kam allein. Obwohl Tom
    nichts anderes erwartet hatte, funkelte er Rose böse an und
    schluckte den bitteren Geschmack hinunter.
    »Sie sind also gekommen«, sagte der Anwalt.
    »Und Sie kommen allein, stimmt̕s?«
    »Ja.«

    373
    Rose wand die Hände ineinander. An den Hund hatte er fast
    gar nicht mehr gedacht. Den ganzen Nachmittag hatte er hin
    und her überlegt, innerlich aufgewühlt von Schuldgefühlen und
    Angst, dass ihm die Kopfhaut unter den fettigen Haaren juckte.
    Einer wie Tom war misstrauisch gegen die Justiz wie alle armen
    Leute, und wahrscheinlich aus gutem Grund, denn er sah nicht
    so aus, als würde er es mit dem Gesetz allzu genau nehmen.
    Trotzdem hatte er ihm den Brief gezeigt. Er hatte nach seinem
    Gewissen gehandelt, um einen Unschuldigen zu retten, und bau-
    te darauf, dass Rose ihm im Gegenzug einen Dienst erwies. Rose
    hatte dieses Vertrauen enttäuscht. Hawke würde gewiss nicht ta-
    tenlos dasitzen. Er würde Tom nachstellen. Und Rose trüge die
    Schuld daran.
    »Es tut mir leid«, murmelte Rose. »Ich ... alles war schwieri-
    ger, als ich gehofft hatte.«
    Tom schwieg.
    »Ohne den Brief kann ich nichts machen«, brach es aus Rose
    heraus. »Bitte. Ich beschwöre Sie. Wenn ich den Brief habe, be-
    steht die Chance, dass Sie Ihren Hund wiederbekommen. Ohne
    den Brief... ohne den Brief habe ich nichts in der Hand. Dann
    kann ich Ihnen auch nicht helfen.«
    »Welchen Brief?«
    »Bitte. Lassen wir die Spielchen. Die Zeit drängt.«
    Tom blinzelte und riss die Augen auf. »Ich versteh Sie wohl
    nicht, Mister.«
    »Um Himmels willen, lassen Sie das doch! Ich bitte Sie.«
    »Sie müssen mich mit jemandem verwechseln, Mister. Ich
    weiß nichts von einem Brief.«
    Rose konnte sich nicht länger beherrschen. Es sprudelte nur
    so aus ihm heraus. »Tom, für dieses Versteckspiel ist es zu spät.
    Er weiß Bescheid, verstehen Sie? Hawke, Ihr

Weitere Kostenlose Bücher