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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Verhör so schnell wie möglich hinter sich
    bringen. Die Schande funkelte über seinem gebeugten Nacken
    wie das Fallbeil einer Guillotine.
    »May«, sagte Lovick erneut. »Zuerst einmal möchte ich Ihnen
    im Namen des Ausschusses für die ausgezeichnete Arbeit dan-
    ken, die Sie geleistet haben. Das Folgende soll keineswegs bedeu-
    ten, dass ich oder r
    M . Bazalgette an Ihrer Arbeit irgendetwas
    auszusetzen hätten.«
    William n kte,
    ic
    die Hände zu Fä sten
    u
    geballt. Wenn es nur
    schon vorbei wäre, flehte er still. Wenn es nur vorbei wäre.
    »Wie Sie wissen, May, wurden Sie uns von Mr. Rawlin-
    son wärmstens empfohlen, einem Gentleman, den ich auf das
    Höchste schätze. Ich habe an Ihrer Arbeit nichts entdeckt, was
    der hohen Meinung, die er Ihnen gegenüber hegt, widerspre-
    chen würde. Dennoch ...«

    Jetzt kam es. William stockte der Atem.
    »Dennoch sind wir besorgt, dass die ... dass die Strapazen Ih-
    rer Tätigkeit Sie erschöpft haben könnten. Das ist Dr. Feather.«
    Dabei deutete Lovick auf den Herrn am Fenster, der nickte, wo-
    durch sein Körper von den rundlichen Schultern bis hinun-
    ter zum Bauch in eine wellenartige Bewegung versetzt wurde.
    »Ich habe ihn gebeten, Sie zu untersuchen. Und ich wäre Ihnen
    sehr dankbar, wenn Sie ihn dabei nach Kräften unterstützten.
    Dr. Feather? Ich denke, es ist alles so vorbereitet, wie Sie es ge-
    wünscht haben. Sollten Sie Hilfe benötigen, brauchen Sie nur zu
    rufen.«

    158
    Damit erhob sich Lovick und verließ den Raum. Stumm
    blickte William zu dem Arzt hoch. Für einen Scharfrichter sah er
    ungewöhnlich sanft aus mit seinem runden Gesicht, das – Zeug-
    nis eines genießerischen Lebenswandels – rosig glänzte und so
    sehr zum Lächeln aufgelegt war, dass sich auf den Wangen Grüb-
    chen gebildet hatten. Diese Fröhlichkeit erschien William wie
    ein Hohn auf seine erbärmliche Schande. Hinter dieser glitzern-
    den Brille war nichts, worauf er hoffen durfte, nichts als die Ge-
    wissheit, dass man ihm Schmerz zufügen wollte. Im Auftrag des
    Ausschusses würde der Arzt das finden, worum man ihn gebeten
    hatte. In schwungvoller Handschrift würde aus Hawkes Dro-
    hungen ein offizieller Bericht werden. Hawke hatte gesagt, er
    wisse von den Selbstverstümmelungen. Instinktiv umfasste Wil-
    liam die Unterarme und presste die Hemdsärmel auf das Ver-
    sehrte Fleisch. Wenn der Arzt erst einmal die Narben sah, würde
    seine Diagnose keiner weiteren Begründung mehr bedürfen.
    Doch der Arzt wollte sich Williams Arme gar nicht ansehen.
    Stattdessen setzte er sich auf die Kante von Lovicks Schreibtisch,
    ließ eines seiner stämmigen Beine unbeholfen baumeln und be-
    gann Fragen zu stellen. In den Fragen selbst konnte William kein
    schlüssiges Muster erkennen – sie reichten von der Bitte um eine
    genaue Beschreibung seiner täglichen Verrichtungen bis hin zu
    den Namen der europäischen Hauptstädte, von einer kurzen
    Schilderung seiner persönlichen Verhältnisse bis zu seiner Mei-
    nung über den Aufstand in Indien und der Chronologie der Bü-
    cher des Alten Testaments. Auf jede Frage folgte ein langes
    Schweigen, eine Pause, in welcher der Arzt, die Stirn in dicke Fal-
    ten gelegt, Williams Antworten abwägte, bevor er sich in einem
    kleinen ledergebundenen Buch Notizen machte. Jede Antwort
    erfuhr die gleiche Aufmerksamkeit und wurde mit gleicher
    Sorgfalt notiert. William hielt die Jackenärmel unverwandt an
    die Arme gedrückt, und es gelang ihm, mit fester Stimme zu ant-

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    worten, obwohl er doch die ganze Zeit nur daraufwartete, dass
    der Arzt mit dem Bleisti t
    f auf seinen Unterarm tippte und ihn
    aufforderte, die Ärmel hochzurollen.
    Doch es geschah nichts dergleichen. Die Frage des Arztes, ob
    sich William gern im Freien aufhalte und womit er sich dabei be-
    schäftige, führte zu einer heiteren Abschweifung, während deren
    sich der Arzt zu seiner besonderen Vorliebe für die Orchis hircina,
    die Bocksriemenzunge, bekannte, die in den Sanddünen neben
    dem Garten seines Elternhauses in Sussex wuchs.
    »Sie hat natürlich keinen besonderen Duft, ja, sie schien mir
    sogar immer etwas faulig zu riechen. Wenn man jedoch die Na-
    tur als Schauspiel sieht ...«
    Als William gestand, dass auch er sich als Junge auf die Lauer
    gelegt habe, um den bezaubernden Augenblick nicht zu verpas-
    sen, da die Orchidee ihre langen, gerippten Lippen nacheinan-
    der von der Knospe löste, nickte der Arzt begeistert. Und als Wil-
    liam sein

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