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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hoffte, dass es die Polizei war –, würde sie aufhören zu reden und vielleicht sogar behaupten, Narraway habe sie angegriffen. Aber sie schien nicht darauf zu achten. Sie kostete ihren Triumph aus, weil sie endlich die Möglichkeit hatte, ihm zu sagen, auf welche Weise sie ihn in die Falle gelockt hatte.
    Er machte eine plötzliche Bewegung auf sie zu.
    Der Hund fuhr zu ihm herum und bellte erneut. Er hob ihm den Schemel entgegen für den Fall, dass er ihn anspringen würde.

    »Jetzt haben Sie wohl Angst?«, sagte sie mit unüberhörbarer Befriedigung.
    Er bemühte sich, mit ruhiger Stimme zu sprechen, während er sagte: »McDaid hat Sie angestiftet, nicht wahr? Was hat er Ihnen gesagt? Und warum gerade jetzt? Er war einmal mein Freund.«
    »Seien Sie nicht albern!«, stieß sie mit einer Stimme hervor, der anzuhören war, dass sie fast an ihren Worten erstickte. »Er hasst Sie genauso wie wir alle.«
    »Was hat er Ihnen gesagt?«, ließ er nicht locker.
    »Wie Sie meine Mutter, diese Hure, verführt und dann preisgegeben haben. Sie sind Schuld an ihrem Tod und haben zugelassen, dass mein Vater dafür gehängt wurde!« Jetzt schluchzte sie.
    »Aber warum mussten Sie den armen Cormac umbringen, um mir einen Mord anhängen zu können?«, fragte er. »War Ihr Onkel Ihnen so wenig wert? Die Tat können nur Sie begangen haben. Sie waren der einzige Mensch, bei dessen Eintreten ins Haus der Hund nicht bellen würde, denn Sie haben ihn gefüttert, wenn Cormac nicht da war. Er ist an Ihre Anwesenheit gewöhnt. Wenn ich der Täter gewesen wäre, hätte er die ganze Nachbarschaft zusammengekläfft.«
    »Sehr klug«, stimmte sie zu. »Aber beim Prozess wird das niemand wissen, und niemand wird Ihrer Schwester glauben, wenn sie überhaupt Ihre Schwester ist, weil alle als selbstverständlich voraussetzen, dass sie zu Ihnen hält.«
    »Haben Sie Cormac wirklich nur umgebracht, um mich auf diese Weise zu erledigen?«, fragte er erneut.
    »Nein, wohl aber dafür, dass er nichts getan hat, um meinen Vater zu retten! Keinen Handschlag, absolut nichts!«
    »Sie waren damals erst sechs oder sieben Jahre alt.«
    »McDaid hat mir das gesagt!«, schluchzte sie.
    »Ach ja, McDaid – der irische Freiheitsheld, der die Gesellschaftsordnung in ganz Europa durch eine Revolution umgestalten
will. Das Alte soll zerstört werden, damit das Neue aufgebaut werden kann. Glauben Sie etwa, das würde Irland die Freiheit bringen? Für McDaid sind Sie eine entbehrliche Nebenfigur, ebenso wie ich, Ihre Eltern oder jeder andere Mensch.«
    In diesem Augenblick ließ sie das Halsband des Hundes los und hetzte ihn auf Narraway. Während ihm dieser den Schemel entgegenhielt und halb auf dem Rücken landete, als der Hund dagegen sprang, kamen zwei Polizeibeamte durch die Diele hereingestürmt. Einer von ihnen riss den Hund so heftig am Halsband zurück, dass er ihm fast die Luft abgedrückt hätte, während der andere Talulla festhielt.
    Narraway stand mühsam auf und versuchte hustend und keuchend Luft zu bekommen.
    »Danke«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ich hoffe, Sie waren lange genug hier, um zu hören, was sie gesagt hat.«
    »Das waren wir«, gab der ältere der beiden zur Antwort. »Aber für Sie bleibt trotzdem noch der eine oder andere Anklagepunkt übrig. Da wäre beispielsweise der tätliche Angriff auf einen Polizeibeamten in Ausübung seines Dienstes sowie Flucht aus dem Polizeigewahrsam. Ich an Ihrer Stelle würde die Beine in die Hand nehmen, als wenn der Teufel hinter mir her wäre, und dafür sorgen, dass ich nie wieder einen Fuß auf irischen Boden setzte.«
    »Ein glänzender Ratschlag.« Narraway stand stramm, machte eine zackige Ehrenbezeigung, wandte sich dann um und lief davon, ganz, wie es ihm der Beamte geraten hatte.
     
    Am nächsten Morgen verabschiedete sich Charlotte nach einem rasch eingenommenen Frühstück von Mrs Hogan und ließ eine Droschke kommen, die sie mit allem Gepäck zu der Polizeiwache bringen sollte, auf der Narraway festgehalten wurde.

    Ihr war elend zumute. Als einzige Lösung war ihr eingefallen, den Beamten mitzuteilen, dass sie eine Aussage zum Tod Cormac O’Neils zu machen habe. Hoffentlich gab es auf der Wache einen einflussreichen Beamten mit klarem Verstand, der bereit war, sich ihren Bericht anzuhören.
    Je näher sie ihrem Ziel kam, desto aussichtsloser erschien ihr, was sie sich vorgenommen hatte.
    Der Gedanke, sich mit mehr Gepäck, als sie tragen konnte, einfach dort absetzen zu lassen,

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