Der Verrat
schmalen Bürgersteig entlang. Er trat in das relativ kleine Foyer ein und ging zu der kugelsicheren Glasscheibe, um mit dem Portier zu sprechen. Genf hatte sich zu einer Stadt der kugelsicheren Glasscheiben und der Bodyguards entwickelt. Es wurden einfach zu viele der reichen Zuwanderer von den Behörden ihrer Heimatländer und von Geschäftsrivalen gesucht. Mindestens einmal im Jahr kam es zu einem brutalen Ritualmord.
Der Mann hinter der Glaswand erkannte Speyer und begrüßte ihn auf Französisch, ehe er zum Telefon griff, um im Penthouse anzurufen. Green hatte das gesamte Obergeschoss des Gebäudes gekauft. 550 Quadratmeter – eine Fläche, wie sie in der Genfer Innenstadt kaum jemand besaß. Nach wenigen Augenblicken ließ der Portier Speyer eintreten. Als der Banker zum Aufzug kam, war die Tür bereits offen. Er drückte den Knopf für das oberste Stockwerk und zog die ledernen Fahrerhandschuhe aus. Als im dritten Stock die Lifttür aufging, sah Speyer zwei Männer vor sich, die ihn bereits erwarteten. Der ältere der beiden war Greens persönlicher Kammerdiener und Butler, der stilecht mit schwarzer Weste, weißem Hemd und schwarzer Fliege bekleidet war. Speyer reichte ihm seine Handschuhe und drehte sich um, damit ihm der Mann aus dem Mantel helfen konnte. Als ihm der Diener den grauen Kaschmirmantel abgenommen hatte, trat der Bodyguard zu ihm und überprüfte ihn mit einem Metalldetektor. Es war jedes Mal die gleiche Prozedur – doch Speyer beklagte sich nicht, und Green entschuldigte sich nicht dafür.
Als der Bodyguard fertig war, wurde Speyer in das Wohnzimmer geführt, wo ihn der Diener fragte, ob er etwas trinken wolle. Er verneinte und sah auf seine Uhr. Er hoffte, dass Green ihn nicht zu lange warten ließ. Es war ein langer Tag gewesen, und er hatte noch eine lange Woche vor sich. Große Versprechungen waren gemacht worden, und die Zeit, um sie einzulösen, wurde langsam knapp.
Sechs Minuten später erschien Green in einem blauseidenen Bademantel und dazu passenden Hausschuhen. Sein schwarzes Haar war glatt zurückgekämmt. Der ewig braun gebrannte Milliardär schritt durch den Raum und zog am Gürtel des Bademantels.
Er bedachte Speyer mit einem diabolischen Grinsen und fragte: »Du bist gekommen, um zuzusehen, nicht wahr?«
»Nein«, antwortete Speyer, nahm seine schwarz gerahmte Brille ab und steckte sie in die Jacketttasche. »Ich fürchte, ich spiele nur die Rolle des Boten.«
Green überlegte einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf. »Komm mit«, forderte er seinen Besucher auf.
Speyer seufzte. »Ich fürchte, ich habe wenig Zeit«, erwiderte er.
Green ging weiter. »Quatsch. Wir haben wichtige Dinge zu besprechen. Außerdem will ich die Show nicht verpassen.« Er verschwand auf dem Flur und spähte einige Sekunden später um die Ecke zurück. »Übrigens – ich habe gerade eine Flasche Screaming Eagle Jahrgang zweiundneunzig aufgemacht. Sogar ein Snob wie du, der kaum etwas anderes als französische Weine trinkt, kann da nicht Nein sagen.«
Ein Lächeln erschien in Speyers Mundwinkeln, und er setzte sich in Bewegung. Green hatte recht. Screaming Eagle war ein sehr seltener Wein, dem man nur schwer widerstehen konnte. Er folgte ihm über den Flur zur Schlafzimmer-Suite.
»Mach die Tür hinter dir zu«, befahl Green.
Sie schritten durch die holzgetäfelte Bibliothek, die mit einem Großbildfernseher und einer Sitzgruppe ausgestattet war. Hinter der Doppeltür, die zum eigentlichen Schlafzimmer führte, ertönte der hämmernde Rhythmus von europäischer Techno-Musik. Green öffnete die Tür, sodass ein Kingsize-Bett mit schwarzen Seidenlaken zu sehen war. Speyer blickte nach rechts, wohl wissend, dass sich das Spektakel hier abspielte. Das große Fenster, von dem man auf den Genfer See hinausblickte, war mit schweren schwarzen Vorhängen verdunkelt, die als Hintergrund für die Sexspiele dienten, die in der Fensternische vor sich gingen. Green hatte sich die kleine Bühne selbst eingerichtet. Zu beiden Seiten der Nische befanden sich schmale Türen, hinter denen, wenn man sie öffnete, eine Reihe von Haken, Ketten und Seilen zum Vorschein kamen. In der Mitte der Bühne stand ein junges blondes Mädchen mit Zöpfen, Clogs und einem kurzen Sommerkleid. Hinter ihr stand eine große Domina, vom Kopf bis zu den hochhackigen Stiefeln in schwarzen Latex gehüllt. Die einzigen Öffnungen in der Gummihülle befanden sich über Mund und Augen, an den Brüsten und zwischen den Beinen.
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