Der Verrat
die Sache nicht ernst nehme? Wenn es so ist, dann muss ich etwas richtigstellen. Wenn es um Mitch Rapp geht, nehme ich die Dinge sogar sehr ernst.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich rate dir zwar dringend davon ab, aber es ist natürlich dein gutes Recht, in dieser Richtung weiterzumachen. Nur musst du dir jemand anderen dafür suchen, weil ich nämlich nichts damit zu tun haben will.«
»Du bist hier im Haus für den Bereich Terrorbekämpfung zuständig. Dieser Fall gehört dir, ob es dir nun passt oder nicht.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich den Fall nicht übernehme. Ich werde nur nichts gegen Mitch Rapp unternehmen, und das ist mein letztes Wort.«
Stealey drehte sich zum Gehen um, doch nach einem Schritt sah sie die Gruppe von Männern in der Tür und blieb stehen. Bevor sie etwas sagen konnte, rief ihr der Justizminister aus dem Konferenzzimmer nach: »Die Zeiten ändern sich, Peggy. Rapp und seine Chefin haben sich eine Menge Feinde in der Stadt gemacht, und mit dem, was er jetzt angerichtet hat, wird er sicher keine neuen Freunde gewinnen.«
Ross sah die blauäugige Frau an, die da vor ihm stand. Mit ihren hohen Wangenknochen und ihrer ausgeprägten Kieferpartie sah sie eindeutig skandinavisch aus. »Miss Stealey«, begrüßte er sie und streckte ihr die Hand entgegen.
Sie zögerte einen Augenblick, unsicher, wie sie ihn ansprechen sollte. »Mr. Vice President«, sagte sie schließlich.
Ross schüttelte ihr herzhaft die Hand, trat noch einen Schritt auf sie zu und legte ihr die linke Hand auf die Schulter. Mit einem warmen Lächeln flüsterte er ihr zu: »Er hat recht, wissen Sie.«
»Wie bitte?«, fragte sie verwirrt.
»Die Zeiten ändern sich.«
»Das passiert hier alle vier Jahre.«
Ross musterte sie. Sie war Ende dreißig, und ihre Haut war immer noch makellos. Ross beugte sich an ihr Ohr. »Machen Sie sich keine Sorgen wegen Mitch Rapp. Sie werden die CIA in einem Jahr nicht mehr wiedererkennen.«
Stealeys blaue Augen verengten sich und nahmen einen analytischen Blick an. »Ich mache nicht sehr oft Fehler – aber wenn, dann lerne ich daraus.«
Ross nickte lächelnd. Er musste an etwas denken, das Stokes ihm einmal über Peggy Stealey gesagt hatte. Er hatte sie mit einem Gewitter verglichen. Man spürte es, wenn sich etwas zusammenbraute, und man sah dem Ereignis mit einer gewissen Aufregung entgegen. Wenn ihr Wutausbruch eher kurz ausfiel, war es ein durchaus ansehnliches Spektakel. Wenn sich ihr Zorn aber über längere Zeit entlud, dann konnte sie beträchtlichen Schaden anrichten.
»Und wie soll ich das jetzt deuten?«, fragte Ross.
Stealey beugte sich noch etwas näher zu ihm. »Mit Mitch Rapp legt man sich besser nicht an«, sagte sie leise und schritt zur Tür.
Ross stand einige Sekunden regungslos da, das ewige Lächeln immer noch auf dem Gesicht. Langsam drehte er sich um und sah, wie seine Leute beiseitetraten, um Stealey vorbeizulassen. Ross lächelte weiter, auch wenn er innerlich kochte. Stokes mochte das Temperament der Frau erfrischend finden, doch Ross fand es schlicht respektlos.
Garret trat vor und fragte mit leiser Stimme: »Was hat sie gesagt?«
»Das erzähle ich dir später«, antwortete Ross mit seinem eingefrorenen Lächeln, drehte sich um und ging in das Konferenzzimmer, wo der Justizminister mit zwei stellvertretenden Assistenten am Ende eines großen Konferenztisches saß. Stokes und die beiden anderen Männer erhoben sich rasch, als sie Ross sahen.
»Nein … nein«, sagte Ross, »bleiben Sie ruhig sitzen. Ich wollte nur vorbeischauen und Ihnen zu Ihrem Erfolg gratulieren. Der designierte Präsident Alexander hat mich gebeten, Ihnen persönlich zu danken, dass Sie den Mann gefasst haben, der für den Tod seiner Frau verantwortlich ist.«
Justizminister Stokes wandte sich zögernd nach links und nach rechts. Die drei Männer sahen einander etwas betreten an. »Die Sache scheint nicht so hieb- und stichfest zu sein, wie es ursprünglich aussah«, antwortete Stokes schließlich.
Ross war überzeugt, dass sich Neuigkeiten in keiner anderen Stadt so schnell verbreiteten wie in Washington. Es gab so viele Journalisten, so viele Politexperten und allzu viele Leute, die ihre Wichtigkeit demonstrieren wollten, indem sie so taten, als wüssten sie Bescheid. Die Nachricht von der Festnahme erschütterte die ganze Stadt. Die Sache war einfach zu groß, als dass man sie hätte geheim halten können. Präsident Hayes ließ keinen Zweifel daran, dass er
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