Der Verrat
ließ sich feststellen, was der Killer bestellt hatte – einen doppelten Espresso. Das allein deutete auf Europa oder den Nahen Osten als Herkunftsland hin, und genau dorthin hatte ihre Jagd sie geführt – in die Länder rund um das Mittelmeer.
Rapp begann mit der CIA-Datenbank und wandte sich auch an seine Kollegen in Großbritannien, Frankreich und Italien. Fast vier Wochen lang hatte Rapp mit einem kleinen Team fast das ganze Mittelmeergebiet abgegrast. Sie waren in Tunesien, Italien, Griechenland, der Türkei und Zypern gewesen. Auf diese Weise hatten sie die Suche auf drei Namen einengen können. Die Frage war, ob diese drei Namen für drei verschiedene Personen standen oder nur für eine. Es kam nicht selten vor, dass jemand sich verschiedene Identitäten zulegte, zwischen denen er je nach Zielperson, Art des Anschlags oder Region hin und her wechselte. Mit jedem Tag neigte Rapp stärker zu der Annahme, dass es sich um ein und denselben Mann handelte. Da waren einfach zu viele Ähnlichkeiten, zu viele Wege, die sich immer wieder kreuzten.
Rapps Kontaktperson in Istanbul war zuverlässig – ein Angehöriger des türkischen Geheimdienstes, der seit fast drei Jahrzehnten auf der Gehaltsliste der CIA stand. Er verriet Rapp, dass der Mann, nach dem er suchte, mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit auf Zypern lebte. Er war von Zeit zu Zeit geschäftlich in Istanbul, aber zu Hause war er in Limassol, Zypern. Der türkische Spion lieferte Rapp eine Adresse, einen E-Mail-Account und ein Überwachungsfoto von schlechter Qualität. Dumond brauchte nicht einmal einen Tag, um alle verfügbaren Informationen über den Mann einzuholen, und arbeitete immer noch daran, die Mosaiksteine zu einem Ganzen zusammenzufügen. Sie hatten Immobilienunterlagen, Steuererklärungen, aktuelle und ehemalige E-Mail-Accounts und Bankdaten. Der Kerl, hinter dem er her war, betrieb eine Firma, deren Büro sich über dem Café befand, das er seit zwei Stunden beobachtete. Der Inhaber des Cafés war sein Vermieter. Der Verdächtige nannte sich Alexander Deckas. Es hatte schon eine seltsame Ironie, dachte Rapp, dass der mutmaßliche Killer unter einem Vornamen auftrat, der dem Nachnamen des Mannes entsprach, den er hatte töten wollen.
Rapp stand auf und tupfte den Wein von seiner Hose ab. Ein mitfühlender Kellner reichte ihm noch eine Serviette. Er trocknete seine Hose so gut es ging und dachte daran, Brooks auf irgendeinen besonders unangenehmen Auslandsposten versetzen zu lassen. Der Kellner gab ihm eine dritte Serviette, und Rapp blickte sich kurz um, um zu sehen, wie viel unerwünschte Aufmerksamkeit er auf sich gezogen hatte. Das Café befand sich in einer Einbahnstraße, sodass alle geparkten Autos nach Osten zeigten. Links von ihm fiel ihm ein Stück weiter vorne auf der Straße etwas auf. Er legte ohne große Eile etwas Geld auf den Tisch und bedankte sich auf Italienisch beim Kellner. Er sprach kein Griechisch und nahm an, dass Italienisch die zweitbeste Möglichkeit war. Rapp ging die Straße hinunter, zog an seinem nassen Hemd und tat immer noch so, als würde ihn vor allem seine ramponierte Kleidung beschäftigen. Er blickte kurz nach rechts und fand bestätigt, was er zuvor gesehen hatte. Zwei Männer saßen in einem Auto. Der eine hielt eine Kamera mit einem Teleobjektiv, das genau auf das Café gerichtet war, das Rapp beobachtet hatte.
Rapp blickte zur Seite und zog sein Handy hervor. Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich ein Mann.
»Was gibt’s?«
»Wo bist du?«, fragte Rapp.
»Athen.«
»Schwing deinen Hintern nach Zypern, jetzt sofort.«
»Was ist denn los?«
»Ich glaube, wir sind nicht die Einzigen, die den Kerl suchen.«
»Ich bin schon am Flughafen. Ich werde sehen, was sich machen lässt, und rufe dich zurück.«
Rapp beendete das Gespräch und ging weiter. Er dachte über seinen nächsten Schritt nach, der ihm sofort klar wurde, als er eine Puppe in einem Schaufenster am Ende des Blocks stehen sah. Er brauchte vor allem neue Kleider und einen ungehinderten Blick auf die beiden Männer auf der anderen Straßenseite.
4
Zermatt, Schweiz
Die Festgäste im Alex-Hotel waren alle in bester Stimmung, und das lag nicht zuletzt daran, dass kein Einziger von ihnen an diesem Wochenende für irgendetwas bezahlen musste. Diese spezielle Umweltkonferenz war einer der beliebtesten Termine im Jahreszyklus. Ein Tag Seminare und Arbeitsgruppen, dann zwei Tage Skifahren und feuchtfröhliche Feste in einem der schönsten
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