Der Verrat
Scheißoperation.« Er blickte sich unter seinen Leuten um. »Alles aussteigen, bis auf Kendal und Fitz«, ordnete er schließlich an. Das betraf die beiden Männer, zwischen denen Ross eingeklemmt war.
Einer nach dem anderen stiegen die acht Agenten aus, worauf der Bus langsam, aber stetig die steile Straße erklomm. Die Männer, die hatten aussteigen müssen, liefen sofort los, so schnell sie konnten, ohne auf ein Kommando zu warten. Der Bus kam nicht besonders schnell voran, und so hielten sie mit dem Fahrzeug Schritt, doch als sie oben waren, keuchten sie alle in der dünnen Gebirgsluft. Einer der Agenten, die Brown vorausgeschickt hatte, erwartete sie grinsend. Sein Lächeln verschwand, als Brown aus dem Bus stieg.
»Was findest du denn so komisch?«
»Nichts, Boss«, antwortete der Mann verlegen.
»Wie ist die Lage hier oben?«, fragte Brown und deutete mit einer Kopfbewegung zum Haus.
»Dreiundachtzig Gäste plus sechzehn Leute vom Cateringservice. Keine auffälligen Typen.«
»Ausgänge?«
»Wir nutzen sein Sicherheitssystem. Es ist so weit alles gesichert.«
Brown ging zum Bus zurück. »Sir«, rief er hinein, »wir sind so weit.«
Ross stand auf und knöpfte sein Tweedjackett zu. Darunter trug er einen graublauen Pullover und dazu Jeans. Er stieg aus dem Bus und ging zur Haustür, die ein Dienstbote des Hausherrn für ihn öffnete. Die massive Holztür ging nach innen auf, und Speyer persönlich erwartete ihn bereits.
Der Banker trug eine Hausjacke aus rotem Samt, eine schwarze Hose und Hausschuhe aus schwarzem Wildleder. Selbst hier in den Bergen schien er sehr auf sein Äußeres bedacht.
»Mr. Vice President«, begrüßte er Ross mit einer Verbeugung. »Es ist mir eine Ehre, einen der mächtigsten Männer der Welt in meiner bescheidenen Hütte empfangen zu dürfen.«
Ross lachte. »Für dich bin ich immer noch Mark, Joseph. Außerdem werde ich erst in einer Woche vereidigt.«
»Oh … lass mir doch die Freude, dich mit diesem erhabenen Titel anzusprechen.« Der Banker blickte zu Ross auf und lächelte.
»Jetzt hör schon auf mit dieser lächerlichen Verbeugung, sonst lasse ich dich auspeitschen.«
»Nichts als leere Versprechungen«, sagte Speyer augenzwinkernd.
»Du siehst gut aus.«
»Du auch. Was darf ich dir zu trinken anbieten?«
»Ein Martini wäre schön.«
»Kommt sofort, und dann würde ich dir gern meinen neuen Weinkeller zeigen. Ich glaube, du wirst beeindruckt sein.«
Ross folgte seinem Gastgeber und spürte nach einigen Schritten, dass jemand hinter ihm war. Er blickte über die Schulter zurück und sah Agent Brown mit einem Blick an, der deutlich machte, dass er sich zurückziehen solle. »Warten Sie bei der Tür. Wenn ich Sie brauche, rufe ich Sie.«
Zwischen dem Kamin und dem großen Panoramafenster war eine Bar aufgebaut worden. Von dem Fenster sah man nicht nur auf das Tal hinunter, sondern hatte auch einen Blick auf den wohl bekanntesten Berg der Welt: das Matterhorn. Man konnte ihn bei dem Schneefall kaum erkennen, aber Ross wusste, dass er da war. Er hatte erst vor drei Monaten hier an diesem Fenster gestanden und die Aussicht genossen.
Die Gäste strömten nur so auf ihn zu und gratulierten ihm aufrichtig. Viele von ihnen hatten mitgeholfen, seinen Wahlkampf zu finanzieren. Er war ihr Rennpferd, und sie hatten auf ihn gesetzt. Ross hatte seinen Martini zur Hälfte geleert, und Speyer gab gerade seine zweite amüsante Geschichte zum Besten, als Ross ein vertrautes Gesicht in der Menge bemerkte, das ihn vom anderen Ende des Raumes beobachtete. Augenblicklich überkam ihn ein unangenehmes Gefühl, seine Hände begannen zu schwitzen, und seine Kehle wurde trocken. Er vermied es, den Mann direkt anzusehen. Gewiss, er hatte erwartet, dass er hier sein würde, aber nicht, dass er sich ganz offen zeigen würde. Ross verspürte das dringende Bedürfnis, seine Nerven zu beruhigen. Er wandte sich dem Barkeeper zu und bestellte noch einen Martini. Ein paar Drinks würden ihm den nötigen Mut verleihen, um den Abend durchzustehen.
5
Limassol, Zypern
Anstatt direkt zum Flughafen Limassol zu fliegen, kehrte Gazich auf einem Umweg nach Hause zurück. Er flog zuerst von Bukarest nach Athen und nahm die Fähre nach Rhodos, wo er einige Tage blieb, bevor er mit der Fähre nach Zypern weiterfuhr. Es gab praktisch keine Einwanderungs- und Passkontrollen an den Häfen. Zehn Wochen war er jetzt von der Insel fort gewesen, auf der er nun zu Hause war. Einen großen Teil dieser Zeit
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