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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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hatte er damit verbracht, von einem Land zum nächsten zu fliegen und dabei so wenig wie möglich aufzufallen. Schon vor dem Anschlag hatte er beschlossen, für ein, zwei Wochen in Amerika unterzutauchen. Das war sein Stil. Während andere nach einem erledigten Auftrag so schnell wie möglich das Land verließen, behielt er die Ruhe und wartete, bis sich die Lage entspannt hatte.
    Er war bei jedem Schritt, den er unternommen hatte, ruhig und konzentriert geblieben. Wenn man überstürzt vom Tatort weglief, konnte es sein, dass man Aufmerksamkeit erregte. Wenn man hingegen stehen blieb und das Geschehen verfolgte, fiel man niemandem auf. Man war nur einer von vielen, die herbeikamen, um sich das Blutbad anzusehen. Und es war tatsächlich reichlich Blut geflossen an jenem Nachmittag im Oktober. Zuerst hatte Gazich sein Werk gar nicht sehen können bei der riesigen Staubwolke, die in der Luft hing. Zum Glück hatte er nicht vergessen, Ohrenstöpsel zu verwenden; die Explosion war noch heftiger ausgefallen, als er erwartet hatte, und hätte ihm wahrscheinlich das Trommelfell zerrissen.
    Er hatte sich nach der Explosion zehn Sekunden lang an den Baum gedrückt, die Augen geschlossen und Mund und Nase mit dem T-Shirt bedeckt. Als er wieder zu atmen wagte und die Augen einen Spalt öffnete, war der Tag zur Nacht geworden. Mit einem vorsichtigen Schritt trat Gazich aus dem Schutz des Baumes hervor und ging den Bürgersteig hinunter. Obwohl er kaum etwas sehen konnte, wollte er es bis zur ersten Gruppe von Zusehern schaffen, bevor sich der Staub legte. Langsam wurde die Luft wieder klarer, und der Himmel hellte sich auf. Überall lagen die Trümmer verstreut – Glasscherben, Metallteile, Ziegelsteine und Holztrümmer. Als er die Ohrenstöpsel herausnahm, hörte er verzweifelte Hilferufe. Er ging weiter und erreichte den Fuß des Hügels gegenüber dem Starbucks-Café, wo er vor dem Anschlag einen Kaffee getrunken hatte.
    Ein Mann hielt ihn an und fragte ihn, ob alles in Ordnung sei. Gazich hatte immer noch das T-Shirt über Mund und Nase gestülpt. Er nickte, hustete und ging weiter. Einen halben Block weiter erreichte er den Parkplatz des Safeway-Supermarkts, wo er stehen blieb. Hier konnte er es riskieren, sich umzudrehen und einen Blick auf den Tatort zu werfen. Die Größe des Kraters überraschte sogar ihn. Er reichte über beide Fahrspuren und schien mindestens zwei Meter tief zu sein. Es war, als hätte ein Meteor mitten in Georgetown eingeschlagen. Bei dem Rauch und dem Feuer konnte man es nicht genau erkennen – aber es sah so aus, als wären die beiden Wohnhäuser auf der anderen Straßenseite förmlich ausradiert worden. Noch wichtiger aber war, dass Gazich nur noch eine Limousine sah. Sie lag auf dem Dach wie eine hilflose Schildkröte. Gazich nahm an, dass von der anderen Limousine nur noch ein Häufchen Blech übrig war.
    Während die Menge der Schaulustigen immer größer wurde, wich Gazich weiter zurück und schüttelte sich den Staub aus den Kleidern. Nach wenigen Minuten tauchten die ersten Rettungsfahrzeuge auf und machten das Chaos nur noch größer. Als das allgemeine Durcheinander seinen Höhepunkt erreichte, überquerte er die Wisconsin Avenue und ging die vier Blocks zu seinem Wagen, den er in der T Street geparkt hatte. Zwanzig Minuten später war er bereits auf der Interstate 95 unterwegs nach Norden.
    Noch am Steuer zog er sich um, weil er es nicht wagte, bei einer Raststätte anzuhalten. An solchen Plätzen tauchten allzu oft Bullen auf. Er öffnete die Autofenster und stellte den Geschwindigkeitsregler auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit ein, ehe er sich den Staub aus den Haaren schüttelte und ein frisches T-Shirt und Jeans anzog. Als er den Bundesstaat Delaware erreichte, legte sich die Anspannung ein wenig. In den Radioberichten wurde immer wieder das Gleiche wiederholt, deshalb schaltete er schließlich das Radio aus. Zwei Stunden später ließ er den Wagen in Newark stehen und nahm den Zug nach Manhattan. Er hatte ein Zimmer im Sheraton-Hotel in der Nähe des Times Square gebucht – einem Haus mit 1750 Zimmern, mit jeder Menge Touristen und absoluter Anonymität. Außerdem hatte er sich zwei Karten für eine Show am selben Abend besorgt, die er beim Concierge abholte, bevor er auf sein Zimmer ging. Er wollte die Show eigentlich nicht sehen; viel lieber hätte er einen der tollen Strip-Clubs besucht und dort ein hübsches Sümmchen verpulvert, aber er dachte sich, wenn er schon als

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