Der Verrat
einschüchternden schwarzen Augen –, und er fragte sie, ob sie ihm vertraue. Letztlich war es das, worauf es ankam. Sie vertraute ihm.
Brooks blickte zu Kennedy auf und sagte in sehr höflichem Ton: »Direktor Kennedy, darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Sicher«, antwortete Kennedy nach kurzem Zögern.
»Vertrauen Sie Mitch?«
Zuerst hatte Kennedy das Gefühl, dass die Frage nur ein Trick, eine Ausflucht war – doch sie sah an Brooks’ Gesichtsausdruck, dass sie es ernst meinte. Die übliche Diskussionsstrategie wäre in diesem Fall gewesen, die Frage zurückzuweisen oder mit einer Gegenfrage zu antworten, doch das tat Kennedy nicht. Diese junge Agentin hatte soeben eine interessante Perspektive auf das Problem aufgezeigt. Sie sah Brooks lächelnd an und sagte: »Ja, das tue ich. Ich vertraue ihm hundertprozentig.«
Brooks nickte und strich sich eine blonde Haarsträhne hinter das Ohr. »Also, sympathisch finde ich ihn nicht gerade«, räumte sie ein.
»Tatsächlich?«
»Es ist nicht gerade einfach, mit ihm zusammenzuarbeiten.«
»Ach, finden Sie?«, fragte Juarez sarkastisch.
Kennedy ignorierte ihn. »Ein einsamer Wolf.«
»Ja, sehr.«
»Ich fürchte, das ist zu einem großen Teil auf seine Ausbildung zurückzuführen. Als wir ihn rekrutierten, war er noch sehr teamfähig, sehr umgänglich. Wir mussten ihm beibringen, wie man operiert, wenn man völlig auf sich allein gestellt ist … als einsamer Wolf eben.«
»Das ist aber nur ein Teil des Problems. Es geht ihm nicht gut.«
»Inwiefern?«
»Wenn man seine Frau nur mit einem Wort erwähnt, rastet er völlig aus. Einmal habe ich sogar gedacht, dass er mich gleich schlagen wird.«
Kennedy suchte in dem Gesicht der jungen Agentin nach irgendeinem Anzeichen von Unaufrichtigkeit oder Wichtigtuerei, doch sie konnte nichts davon erkennen. Sie lieferte einfach nur einen ganz nüchternen Bericht. »Er hat einiges durchgemacht.«
»Ja, ich weiß«, räumte Brooks ein, »aber das ändert nichts daran, dass man ihm zu einer Therapie hätte raten müssen.« Sie sah, dass Kennedy sich abwandte und nervös auf ihre Uhr sah. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen. »Das soll kein Vorwurf sein«, fügte Brooks hastig hinzu. »Er ist einfach nicht bereit, sich helfen zu lassen. Man müsste ihn schon einweisen.«
»In eine psychiatrische Klinik?«, fragte Kennedy schockiert.
»Ja, zu seinem eigenen Besten.«
»Haben Sie Psychologie studiert?«, fragte die Direktorin.
»Ja.«
Kennedy blickte zu Juarez hinüber, der nur den Kopf schüttelte. Zu Brooks gewandt, sagte sie: »Das hat schon einmal jemand versucht. Vor Jahren.«
»Bevor er verheiratet war?«
»Ja, Jahre vorher.«
»Was ist daraus geworden?«, fragte Brooks.
Kennedy sah Juarez an, der es übernahm, die Frage zu beantworten. »Er hat den Mann getötet, der ihn einweisen ließ.«
»Getötet?«, fragte Brooks ungläubig.
»Getötet«, bestätigte Juarez. »Er hat ihm mit bloßen Händen das Genick gebrochen.«
Brooks sah Special Agent McMahon schockiert an.
»Schauen Sie nicht mich an«, sagte McMahon und hob die Hände. »Ich habe mein Hörgerät schon vor fünf Minuten ausgeschaltet.«
»Keine Sorge«, fügte Juarez hinzu. »Es hat sich herausgestellt, dass es der verräterische Bastard nicht anders verdient hatte – aber das ist eine andere Geschichte. Eine, die Sie nichts angeht.«
»Der Punkt ist«, warf Kennedy ein, »dass man jemanden wie Mitch nicht einfach einweisen kann. Das hätte schwerwiegende Konsequenzen.«
»Ich glaube, es könnte schwerwiegende Konsequenzen haben, wenn er keine Hilfe bekommt.«
Kennedy dachte einige Augenblicke über diese Möglichkeit nach.
»Das ist doch Unsinn«, wandte Juarez ein. »Wir schweifen völlig vom Thema ab. Hier geht es nicht um Mitch. Um ihn kümmere ich mich, wenn er zurück ist. Er hat diese Nummer schon öfter abgezogen, wenn auch noch nie so unverschämt wie diesmal. Hier geht es um Sie, junge Lady«, stellte er klar und zeigte auf Brooks. »Es geht darum, dass Sie Ihren Job machen und mir und der Direktorin sagen, was Mitch im Schilde führt, verdammt noch mal. Entweder Sie tun das, oder Ihre Karriere ist vorbei. So einfach ist das.«
Brooks wandte sich Kennedy zu. Die CIA-Direktorin sah sie mit ausdrucksloser Miene an.
»Und nicht nur, dass Ihre Karriere vorbei ist«, fuhr Juarez unerbittlich fort. »Sie haben keine Rechte – auf die haben Sie mit dem ersten Tag in Ihrem Job verzichtet. Wenn Sie mir nicht sagen, was ich wissen
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