Der Verrat
Stufen zur Küche hinunter in einem Satz.Annabel musste den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufzusehen, und Nick sah mit gerunzelter Stirn auf sie herunter. Dann fasste er sie um dieWespentaille an ihrem Business-Kostüm und schob sie wie ein Kind auf einen Stuhl.
»Seid ihr wirklich so hilflos?«, fragte er. »Setzt euch. Ich mache etwas zu essen.«
Jamie setzte sich neben seine Mutter an den Küchentresen und versicherte ihr: »Nick kocht sehr gut, Mum.«
Nick begann, den Kühlschrank zu untersuchen und Dinge wie Paprika und Zwiebeln herauszunehmen. Mae ging ebenfalls zum Küchentresen, und zu dritt nebeneinander sitzend sahen sie Nick dabei zu, wie er dasWunder des Kochens meisterte.
»Ich koche besser als du«, sagte Nick beiläufig. »Aber ich glaube, man kann jedemAffen beibringen, besser zu kochen als du.«
»Ich hätte gerne einenAffen, der für mich kocht«, sagte Jamie. »Ich würde ihn in Bananen bezahlen und ihnAlphonse nennen.«
»Ja, das stelle ich mir auch hervorragend vor«, sagte Mae. »Da würden die Leute schon allein deshalb zum Essen kommen, um denAffenkoch zu sehen.«
»Ihr redet Blödsinn«, sagte Nick, der ein Huhn in der Mikrowelle auftaute. Mae war ehrlich beeindruckt, dass er sich das Gerät offenbar nur einmal ansehen musste, um seine Geheimnisse zu entschlüsseln, während sie jahrelang Fertiggerichte nach der Methode »Irgendwelche Knöpfe drücken und das Beste hoffen« aufgewärmt hatte. »Ich weiÃ, dass das Jamies normale Kommunikationsart ist, doch von dir hätte ich mehr erwartet, Mavis.«
»Die Mavis-Sache werden wir jetzt augenblicklich sein lassen«, sagte Mae warnend.
»Was meint ihr, wie viele Bananen muss man einemAffen zahlen?«, fragte Jamie. »Ich möchteAlphonse schlieÃlich nicht übervorteilen.«
Jamie redete weiter, wie er es immer tat, und auch Mae trug ein paarVorschläge zumThemaAffenkoch bei. Nick warf gelegentlich ein paar vernichtende Bemerkungen ein, die Jamie nicht im Geringsten aufhielten weiterzumachen, währendAnnabel das Kinn in ihre Hand stützte, Nick beobachtete und plötzlich nachdenklich aussah. Dann überraschte sie alle mit demVorschlag, dass er, wenn sie noch lernen wollten, gerne über Nacht bleiben konnte.
Als sie sich an denTisch setzten, wurde es unangenehm. Nicks Gesicht war natürlich ausdruckslos wie immer, doch seine Schultern waren verkrampft. Er war es offensichtlich gewohnt, an einem wackeligen Küchentisch zu essen, und nicht in einem Esszimmer mit gedämpftem Licht, das sich auf einem polierten Mahagonitisch spiegelte, der den Eindruck vermittelte, dass ihreTeller auf einem dunklen See schwammen.
Vielleicht hätte Mae nicht gleich nach denTellern greifen sollen, alsAnnabel vorgeschlagen hatte, mit ihrem Gast im Esszimmer zu essen, aber sie hatte gedacht, es wäre ein gutes Zeichen.
Nun saÃen sie dort, und Nick hätte auch gleich ein T -Shirt mit derAufschrift »Nicht für gute Gesellschaft geeignet« tragen können. Es war nicht wirklich überraschend, dass er kein guter Konversationspartner war.
»Du gehst also mit Jamie in eine Klasse«, sagteAnnabel fröhlich und verdächtig aufgekratzt. »Gibt es ein Fach, das dir besonders gut gefällt? Ich weiÃ, dass Jamie Naturwissenschaften mag.«
»Nein«, antwortete Nick.
»In Physik darf man Sachen in die Luft jagen«, sagte Jamie sehnsüchtig. »Manchmal.«
Er schien ein wenig niedergeschlagen zu sein, dass die Sache so schlecht lief. Mae wüsste zu gern, wie sie die Situation retten könnte, aber ihr war klar, dass sie es am besten einfach hinter sich brachten. Es gab wohl absolut nichts, was Nick undAnnabel gemeinsam haben konnten.
»Und was sind dann deine Interessen und Hobbys, Nick?«, fragteAnnabel zaghaft. Sie hörte sich an wie eine Mischung aus einem Fernsehreporter und einer Geisel.
Nick überlegte einenAugenblick. »Ich mag Schwerter.«
Annabel neigte sich über denTisch und fragte in verändertemTonfall: »Du fechtest?«
»Nicht direkt«, entgegnete Nick. »Ich bin eher für Freestyle.«
»Ich habe in der Schule auch Fechtunterricht gehabt«, erzählteAnnabel fröhlich. »Ich habe sogar ein paar Pokale gewonnen. Ich war gar nicht schlecht, wenn ich das so sagen darf. In den ersten Jahren am College war ich im Fechtclub, aber Roger
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