Der Verrat
sagte Mae mit zitternder Stimme und schlang dieArme um ihren Körper.
»Ich habe es gern getan«, erwiderteAlan. »Ich kann Jamie auf andereWeise helfen.«
» Wir können Jamie helfen«, sagte Mae undAlan nickte und akzeptierte die Richtigstellung. »Es tut mir leid. Ich hätte nicht fragen sollen. Ich wusste ja nicht â¦Â« Sie holte tief Luft. »Du und Nick«, fragte sie dann, »ihr kommt nicht so gut miteinander aus, nicht wahr?Als ich angerufen habe, habe ich einen Sturm gehört. Ist etwas Schlimmes passiert? Hat er etwas getan?«
Alan holte so langsam Luft, dass ihr dasAntwort genug war, noch bevor er sagte: »Mae?Willst du, dass ich dich anlüge?«
Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, um die sorgenvolle Linie zwischen seinen Brauen wegzuwischen. Bald würde sie dort für immer eingegraben sein, dachte Mae, und keine Hand könnte sie je wieder löschen. Schon gar nicht seine eigene.
Alan machte einen Umweg durch die Ruinen desArmenhauses, von dem nur noch einTeil der Mauern stand. Die namenlosen Regierungsmitglieder, die nicht zugelassen hatten, dass man dasArmenhaus abriss, hatten erlaubt, dass man dort, wo im InnerenTüren gewesen wären, Glastüren eingesetzt hatte, die von innen beleuchtet waren und in denen Fragmente römischer Keramik neben alten Coladosen schwebten.Alan betrachtete statt Mae die Dosen, als er sagte: »Du würdest mir glauben, wenn ich dich anlüge.«
»Dann sag mir dieWahrheit.Wolltest du nie etwas für dich selbst?«
Alan sah ihr in dieAugen. »Doch, ein oder zwei Dinge schon.«
Mae blickte nach unten und trat gegen eine uralte Mauer.
Als sie eine Bewegung wahrnahm, sah sie wieder auf und bemerkte, dassAlan eine der Glastüren zwischen sie gebracht hatte und das Licht aus dem Glas einen bläulichen Schimmer auf sein Gesicht warf, als sähe er sie von unterWasser aus an, und er wirkte bleich und unirdisch. Er presste die Hand an das Glas, als wollte er ihre Hand ergreifen und sie in dieTiefe ziehen.
»Ich habe dieseTüren immer albern gefunden«, bemerkte Mae und versuchte, demAugenblick seine Ernsthaftigkeit zu nehmen, als spielte er keine Rolle.
»Tatsächlich?«, fragteAlan, dessen Finger leicht über das Glas glitten, als hielte er eines derArtefakte in der Hand. »Ich mag sie. Mir gefällt dieVorstellung, dass dieVergangenheit und die Gegenwart untrennbar miteinander verbunden sind und uns zu dem machen, was wir sind.«
»Wahrscheinlich hat mir das grelle Licht den Zugang zu diesem tief greifenden Symbolismus verwehrt«, meinte Mae lächelnd.
Alan lächelte ebenfalls, genau so, wie er gelächelt hatte, als sie sagte, es spiele eine Rolle â offen und überrascht.
»Wenn wir morgen bei Celeste gewesen sind und Jamie in Sicherheit ist«, begann er und hielt dann kurz inne, bevor er fortfuhr: »Nick und ich würden gerne in Exeter bleiben.« Er fuhr mit seinen Musikerhänden die Form einer zerbrochenen Schale nach. »Ich habe mich gefragt, was du am Samstagabend machst.«
Es war eine so gewöhnliche Frage, eine so normale Sache, jemanden um ein Date zu bitten, und das, nachdem man sich über Dämonen und Opfer unterhalten hatte, dass es Mae die Sprache verschlug.
Alan sah sie durch dieTür hindurch an und seine blauenAugen blickten ernst. Geduldig wartete er auf ihreAntwort.
»Ich weià es nicht. Klingt eine Rave-Party für dich nach einem guten Zeitvertreib?«
»Vielleicht«, antworteteAlan und senkte den Blick. Im Neonlicht wirkten seineWimpern golden. »Wenn du da wärst.«
»Das kannst du mich jetzt nicht fragen!«, stieà Mae hervor.
»Ist es die falsche Zeit oder liegt es an mir?«
»In meiner Schule gibt es einen Jungen«, erklärte Mae. »Wir sind nicht zusammen, aber ich habe ihm mehr oder weniger versprochen, ihm eine Chance zu geben. Und ich will meinVersprechen halten.«
Alan trat von derTür zurück und wurde von der Dunkelheit umfangen. »Ich weià deine Ehrlichkeit zu schätzen«, sagte er. »Ich will auch ehrlich sein. Das versuche ich gelegentlich, wenn auch nicht oft.« Er lächelte, und dieses Mal war es ein normales freundliches Lächeln, das sie unwillkürlich erwiderte. »Ich hoffe, der Kerl verpasst seine Chance.«
Mae senkte den Kopf, um ihr Lächeln zu verbergen, doch man hörte es auch in ihrer Stimme. »Man kann ja nie
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