Der verruchte Spion
Unterton in der Stimme.
»Ich denke, wir sind mit Foster schon ganz gut vorangekommen«, warf der Falke ein. »Aber was ist mit dieser Chimäre?«
»Womit?«, fragte Nathaniel.
»Der unbekannte Meister der französischen Spionagetätigkeit in England«, erklärte der Falke.
Als Nathaniel ihn ungläubig anstarrte, zuckte er die Schultern und fügte hinzu: »Nun, irgendeinen Namen musste er ja bekommen.«
Der Löwe grinste. »Regt Euch nicht auf, die Liars haben sich den Spitznamen ausgedacht.«
Die drei lachten dröhnend. Aus den Augenwinkeln sah Nathaniel, wie Liverpool sich versteifte und sich in seinem Stuhl aufrechter hinsetzte. Tja, zu blöd. Ohne den alten Lord Barrowby und ohne Liverpool war dies hier die Angelegenheit von jüngeren Männern geworden. Er, der Löwe und auch der Falke waren im besten Alter. Da war es zu
erwarten gewesen, dass es bei den Treffen der Royal Four etwas lebhafter zugehen würde.
Und doch war es besser, den Premierminister nicht wegen einer Nichtigkeit gegen sich aufzubringen. Nathaniel räusperte sich. »Lasst uns diesen Punkt für den Augenblick zurückstellen, denn wir wissen rein gar nichts über den Mann. Ich lese hier in diesem Bericht, dass Denny, der ehemalige Bursche von Simon Raines, immer noch vermisst wird.« Der Kerl war verschwunden, als bekannt geworden war, dass er Informationen weitergegeben hatte.
Der Falke nickte. »Die Liars konnten ihn nicht ausfindig machen.«
Der Löwe schaute skeptisch. »Ob sie es wirklich versucht haben? Was meint Ihr? Schließlich war er jahrelang mehr oder weniger einer von ihnen.«
Nathaniel schüttelte den Kopf. »Ihr kennt die Liars nicht. Wenn einer von ihnen zum Feind überläuft, dann erhöht das nur ihre Jagdleidenschaft.«
Der Löwe nickte in Gedanken versunken. »Dann kann man also mit Fug und Recht behaupten, dass dieser Denny die Seiten gewechselt hat?«
Der Falke schnaubte zustimmend. »Entweder das oder er versteckt sich in einem der hintersten Winkel von Wales.«
Der Löwe blätterte in dem Bericht der Liars, der vor ihnen auf dem Tisch lag. »Aber sie glauben nicht, dass dieser Ren Porter eine Gefahr darstellt?«
Nathaniel beugte sich über den Tisch, um auf das Blatt zu schielen. »Was sagst du da über Ren Porter?«
Der Falke kniff die Augen zusammen. »Habt Ihr nichts davon gehört? O ja, natürlich. Ihr wart ja schon unterwegs, als er aufwachte.«
»Er ist aufgewacht?« Nathaniel kannte Ren aus Jugendtagen. Damals war er ein aufgeweckter, lockenköpfiger Kerl gewesen. Später gehörte er zu den Mitgliedern des Liars Club,
die von ihrem Vorsitzenden, Jackham, betrogen wurden. Vor einigen Monaten war Ren so gut wie tot aufgefunden worden, und niemand hatte ihm mehr eine Chance gegeben, seine Verletzungen zu überleben oder aus der Bewusstlosigkeit wieder aufzuwachen. Aber die Liars hatten für vorzügliche Pflege gesorgt, und offenbar hatte sich diese bezahlt gemacht.
»Was ist passiert?«, fragte Nathaniel.
Der Falke tippte mit der Fingerspitze auf den Bericht. »Kurz nachdem er zu Bewusstsein kam, ist er verschwunden. So wie es aussieht, nach einem Besuch von Mr Jackham.«
»Gemeinsame Verschwörer?«
Der Löwe schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn man den Liars Glauben schenkt. Sie vermuten, dass Jackham sich möglicherweise Rens verwirrten Geisteszustand zunutze gemacht hat, um ihn den Liars zu entfremden, aber sie hoffen, dass er den Weg nach Hause wieder findet.«
Nathaniel rieb sich das Kinn. »Die Liars fangen nicht gerade an, etwas nachzulassen, was meint Ihr?«
Der Falke schüttelte rasch den Kopf und schaute Nathaniel finster an. »Die Liars sind so stark, wie sie es zu Zeiten Eures Vaters waren, wenn nicht sogar stärker. Das neue Ausbildungsprogramm bringt ebenfalls exzellente Resultate.«
Nathaniel winkte beschwichtigend ab. Seine persönlichen Gefühle gegenüber den Liars waren in der Kammer fehl am Platz, das wusste er.
»Der nächste Tagesordnungspunkt ist die ›Voice of Society‹«, warf der Löwe ein. »Die ›Voice‹ weiß immer noch mehr, als sie sollte.«
Der Falke nickte. »Die ›Voice‹ ist ein Störenfried, aber sie hat bisher noch nicht so viel verraten, dass sie wirklichen Schaden anrichten konnte. Sie sammelt Gerede und Gerüchte, keine Fakten. Im Augenblick können wir wenig gegen sie unternehmen. Sie verschwindet, sobald wir uns
eine Zeitung genauer unter die Lupe nehmen, und taucht in einer anderen wieder auf.«
Der Premierminister rutschte in seinem Stuhl hin und
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