Der verruchte Spion
leid und auch seine kreisenden Gedanken.
»Ach, bleibt«, murmelte er. »Oder geht. Was immer Ihr wollt.«
Willa wandte sich ihm zu und bedachte ihn mit einem so freudigen Lächeln, dass sich sein Pulsschlag beschleunigte. Sie war eine Schönheit mit ihren dunklen Haaren und den dunkelblauen Augen. Er war es nicht gewohnt, von schönen Frauen angelächelt zu werden.
Nicht mehr, hieß das.
Das schreckliche Gefühl ließ nach, das Gefühl, das ihn getrieben hatte, sie anzuherrschen, als sie hereingekommen war. Er hasste es, wenn Leute seine Narben und seinen verkrüppelten Körper ansahen und sich dann abwendeten. Selbst wenn sie versuchten, es zu verbergen, sah er es ihnen an, dass sie sich innerlich von ihm abwendeten, weil sie seine Hässlichkeit nicht ertrugen.
Er machte ihnen keinen Vorwurf. Er wusste, dass er
einst genauso oberflächlich gewesen war. Aber er konnte nichts daran ändern, dass es wehtat. Wieder und wieder schockierte es ihn, wenn ihn jemand heimlich musterte, ließ es ihn doch niemals vergessen, dass er ein Monster geworden war.
Willa nahm das Tablett und drehte sich zu ihm. Er sah aus, als wäre er in Gedanken weit fort, an einem Ort, der ihn unglücklich machte. Sie räusperte sich, wartete, bis er in ihre Richtung schaute, und trat an sein Bett.
Er wich kaum merklich zurück, als sie sich ihm näherte, und drehte seine vernarbte Gesichtshälfte von ihr weg. Wie dumm von ihm. Es war ja nicht so, als hätte sie es noch nicht bemerkt.
Sie setzte das Tablett auf seinem Schoß ab, aber es war offensichtlich, dass er in der jetzigen Lage nichts damit anfangen konnte.
»Verdammter Mist!«, murmelte sie. Er würde niemals zulassen, dass sie ihn fütterte. Nicht bei seinem verletzten Stolz. Aber wie sollte er dann etwas essen? »Verdammter Doktor! War der Mann denn total von Sinnen?«
Sie bemerkte, dass Ren sie entsetzt anstarrte. Sie richtete sich auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Prima! Ihr dürft uns beim Abendessen stören und mit einer Waffe herumfuchteln, aber ich darf noch nicht mal fluchen?«
»Aber … Ihr seid eine Dame!«
Willa war es letztlich doch gelungen, ihn an etwas anderes denken zu lassen. Jetzt würde sie ihn nicht wieder von der Angel lassen. Sie warf theatralisch die Hände in die Luft.
»Seid Ihr etwa kein Gentleman? Ich glaube kaum, dass Ihr den ersten Stein werfen solltet, Sir.«
»Bitte?« Das Mädchen war verrückt. Daran musste es liegen. »Weiß man, dass Ihr frei herumlauft?«
Sie hörte mit dem Zetern auf und lächelte ihn an. Verdammt, ihr Lächeln war bezaubernd.
»Nein, weiß man nicht. Ihr werdet mich nicht verraten, nicht wahr?«
Nun, sie wirkte nicht gefährlich, und sie war sehr hübsch. Ren entspannte sich etwas. Er brauchte sich nicht um die Meinung einer Irren zu scheren, und er brauchte sein Gesicht nicht vor ihr zu verstecken. Plötzlich genoss er ihre Gesellschaft und nickte in Richtung Tablett, das noch immer auf seinem Schoß stand. »Wenn ich verspreche, Euch nicht wegen Eurer Flüche zu schelten, würdet Ihr mir dann mit dem Mittagessen helfen?«
Willa lächelte wieder. Oh, sie mochte ihn tatsächlich. Er war einfach süß mit seinem scheuen, etwas schiefen Lächeln und seinen traurigen blauen Augen.
Sie setzte sich vorsichtig auf die Bettkante und gab Acht, ihn nicht anzurempeln. »Also, als Erstes müssen wir Euch ein bisschen besser hinsetzen.«
Sie griff nach dem Kissen auf dem Stuhl neben dem Bett, legte ihm ihre Hand in den Nacken und zog ihn vorsichtig an sich heran. Dann beugte sie sich vor und stopfte das Kissen hinter sein Kopfkissen.
Ren schloss die Augen und sog tief diesen Duft nach Frau ein. Dann schlug er die Augen wieder auf, obgleich sich das für einen Gentleman nicht gerade gehörte. Aber er konnte dem herrlichen Blick in ihren Ausschnitt einfach nicht widerstehen.
Er konnte die perfekten Rundungen ihrer Brüste sehen, fast bis hin zu ihren Brustwarzen, die allerdings von der Spitze ihrer Unterwäsche verhüllt wurden. Er fühlte sein Verlangen erwachen und schloss schnell die Augen. Zu allem anderen konnte er nicht auch noch diese Form der Folter ertragen.
Er hatte seine sexuellen Begierden tief in seinem Innern begraben. Nur so konnte er das Leben voller Enthaltsamkeit ertragen, das vor ihm lag.
Oh, ja, er könnte dafür bezahlen, und das hatte er auch schon. Aber die Frau hatte ihr Gesicht abgewendet und seine Aufmerksamkeiten ertragen, als könne sie es kaum erwarten, hinterher ein Bad zu nehmen.
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