Der verruchte Spion
nicht mehr so ausgedörrt. Tatsächlich befürchtete er fast, er würde gleich anfangen zu sabbern wie ein Hund. »Das ist nicht gerade ein Kompliment, verstehst du? Du sagst damit nämlich, dass ich bisher immer schrecklich ausgesehen habe.«
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Früher hast du ausgesehen wie Willa. Jetzt siehst du himmlisch aus.«
Sie errötete, aber die Überraschung in ihrem Blick ließ ihn sich fragen, ob er ihr nie zuvor ein Kompliment gemacht hatte. Leider fiel ihm keine Gelegenheit ein, bei der er das getan hätte.
Lord Treason scherte sich nicht um die Gefühle anderer Menschen. Und die Kobra sogar noch weniger. Nathaniel
Stonewell andererseits ließ keine Dame an sich vorübergehen, ohne ihr ein Kompliment zu machen.
Irgendwann müsste er diesen Mann wieder finden.
Aber nicht, bevor nicht seine Aufgabe erfüllt war.
Er musste sich weiterhin darauf konzentrieren, Foster zu finden.
Deshalb richtete er sich kerzengerade auf und reichte ihr den Arm. »Sollen wir jetzt gehen?«
Als er neben Willa die Treppe hinunterschritt, hielt er den Blick starr geradeaus gerichtet, um nicht den Schleier der Enttäuschung in ihren Augen zu sehen.
Heute Nacht war keine Zeit für Schmeicheleien. Heute Nacht tat die Kobra ihren Dienst.
Willa versuchte sich während der Kutschfahrt zum Haus der Knights aufzuheitern.
Sie war durchaus angemessen gekleidet – wofür sie sich üblicherweise nicht die Bohne interessierte -, und sie wurde von dem bestaussehenden Mann der ganzen Welt begleitet.
Als sie ihn in seiner mitternachtsblauen Abendgarderobe gesehen hatte, so groß und elegant und edel …
Nun, man konnte nie wissen, wann einen das Verlangen zu kopulieren überkam, nicht wahr?
Ihre Kutsche war die Einzige, die vor ihrem Ziel hielt. »Wir sind sehr früh dran«, erklärte Nathaniel. »Mrs Knight wollte ihren Vater, der in der Regierung ist, nicht in die missliche Situation bringen, mir die Hand schütteln zu müssen.«
Willa schaute überrascht zu ihm hoch. »Und das beleidigt dich nicht?«
Er schüttelte kurz den Kopf. »Es wäre für alle Beteiligten sehr peinlich. Ich habe nichts anderes erwartet. Sie erweisen uns mit dieser Einladung einen großen Gefallen. Ich
habe mich gewundert, dass sie nicht noch mehr Bedingungen gestellt haben.«
»Also ich bin froh, dass es in London noch Menschen gibt, die bereit sind, dir eine Chance zu geben. Der Bischof hatte völlig Unrecht«, erklärte sie bestimmt.
Nathaniel schaute sie von der Seite an. »Nein, hatte er nicht, Wiesenblume. Und wir beide wissen das.«
Sie legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Aber darum geht es doch heute Abend. Wir werden ihre Meinung über dich ändern.«
Für eine Sekunde bedeckte er ihre Hand mit der seinen, dann wandte er sich ab. »Es macht keinen Unterschied. Was geschehen ist, ist geschehen. Du solltest dich damit abfinden.« Er war nicht in der Stimmung, sich aufmuntern zu lassen, das sah sie ihm an. »Also gut, Nathaniel.« Es wäre tatsächlich sehr schmerzhaft für ihn, ihm erst Hoffnungen zu machen, die dann enttäuscht wurden, wenn sie in ihrem Vorhaben nicht erfolgreich sein sollte. Sie würde ihn in Ruhe lassen … vorerst.
Im Haus der Knights begrüßte sie ihre Gastgeberin Katrina »alle nennen mich Kitty« Knight. Sie war jung, blond, gut gelaunt und nahm kein Blatt vor den Mund.
»Oh, wunderbar, Ihr tragt etwas Gewagtes!«, begrüßte sie Willa. »Ich hatte gehofft, Ihr würdet euch nicht als Landei herausstellen.«
Willa blinzelte. »Ich trage etwas Gewagtes? Ich hatte keine Ahnung.«
»Aber sicher. Diese Farbe, dabei seid Ihr doch noch gar nicht verheiratet. Aber Ihr seid verlobt, dann ist es vielleicht doch nicht so gewagt. Hm. Seid Ihr eventuell dafür bekannt, Euch ungewöhnlich zu verhalten?«
»Absolut«, entgegnete Willa mit ernster Miene. »Nathaniel behauptet, ich wäre sehr merkwürdig.«
Kitty lachte. »Das bin ich auch. Obwohl, ich glaube, Knight sagt immer, ich wäre unmöglich.«
Willa lächelte. Sie erkannte eine verwandte Seele. Kitty grinste zurück. »Ich sagte Euch, ich hatte ja befürchtet, dass unser Ball niemanden locken würde, denn wir haben keinen echten Ballsaal – nur diese beiden großen Salons, zwischen denen wir die Wände herausnehmen können.«
»Ich halte das für eine reizende Einrichtung«, versicherte ihr Willa. »Und so praktisch.«
»Danke. Aber wir brauchen uns ja jetzt, da Ihr hier seid, keine Sorgen mehr zu machen. Absolut
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