Der verschlossene Gedanke
Protagonistin.“
„ Ich spiele mit dem Gedanken, sie umzubenennen“, antwortet er schnell.
Sie nickt. Mehr eine mechanische Bewegung als ein Zugeständnis.
„ Es tut mir leid, wenn dich das irritiert hat, Gaby. Ich wollte dich wirklich nicht verunsichern.“
„ Es sind nicht nur die Gespräche im Traum. Du bist in der letzten Zeit zum Schatten deiner selbst geworden. Ich erkenne dich kaum wieder. Ständig bist du mit Lennard oder wer weiß wo unterwegs. Und versuch jetzt bitte nicht wieder, mir einzureden, dass es Recherche für dein Manuskript ist. Ich habe auf deinen Laptop geschaut, Oskar. Du hast gerade mal fünf Kapitel. Fünf!“
„ Aber das ist es ja gerade.“ Verzweifelt sucht er nach einer glaubwürdige Ausrede. „Eben weil ich nicht vorankomme, treffen wir uns umso häufiger.“
Sie drückt die Zigarette aus und steht auf. „Es gibt vieles, was ich ertragen kann, Oskar. Aber nicht, wenn du mich für dumm verkaufst.“
„ Aber wie kommst du darauf?“
„ Du hast Fragen zu deinem Buch früher nie mit Lennard besprochen, bevor das Manuskript nicht fertig war.“
Er erhebt sich und greift nach ihrem Arm. „Du verstehst das falsch, Gaby. Diesmal ist alles anders. Ein anderes Buch. Andere Recherchen.“
„ Du hast recht, Oskar.“ Sie löst sich aus seinem Griff. „Diesmal ist alles anders.“
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„ Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die Geduld mit dir verliert. Ich habe mich sowieso schon lange gefragt, wie sie es mit deinen seltsamen Stimmungsschwankungen aushält.“
Lennard stellt das Buch zurück ins Regal und greift nach einem neuen. Die Selbstverständlichkeit, mit der er sich in Oskars Arbeitszimmer bewegt, stört ihn nur selten. Heute nimmt er nichts von dem wirklich wahr.
„ Das sind keine Stimmungsschwankungen“, antwortet Oskar. „Das sind Gedanken, Lennard. Gedanken, die mich ohne Ankündigung überkommen. Und scheinbar auch im Schlaf, ohne dass ich es merke.“
„ Dass du auch immer wieder mit dieser albernen Theorie über die Gedanken anfangen musst. Es ist höchste Zeit, dass du mal Abstand von allem gewinnst. Mach Urlaub. Nur du und dein Laptop.“
Natürlich. Der Laptop. Die Worte eines Lektors.
„ Ich brauche keinen Urlaub, Lennard. Ich brauche endlich Klarheit.“
„ So wirst du sie jedenfalls nicht finden. Allerhöchstens stehst du am Ende alleine da. Ohne Frau und ohne Roman.“
„ Meinst du etwa, ich habe es mir ausgesucht, im Schlaf zu reden? Meinst du, ich freue mich, dass sie das mitbekommen hat?“
„ Sicher hast du es nicht mit Absicht getan. Aber vielleicht kann es dir endlich eine Lehre sein.“
„ Eine Lehre wofür?“ Oskar springt vom Sofa auf. „Kapierst du es denn immer noch nicht, Lennard? Ich habe keine Kontrolle darüber, was in meinem Kopf vor sich geht.“
Lennard lehnt sich mit dem Rücken an die Bücherwand. „Wie lange willst du noch mit dieser Geschichte anfangen, Oskar?“
„ So lange, bis sie zu Ende ist. Bis sie endlich zu Ende ist.“
„ Vielleicht solltest du dir Hilfe suchen“, sagt er. „Professionelle Hilfe.“
Oskar verstummt. Er hat selbst schon daran gedacht, sich einem Therapeuten anzuvertrauen. Aber welches Resultat hätte das gehabt? Eine offizielle Bestätigung, dass er verrückt geworden ist?
„ Darum geht es doch gar nicht“, antwortet er. „Ich muss beweisen, dass er sie ermordet hat. Und vor allem muss ich einen Weg finden, um von ihm loszukommen.“
„ Von ihm loszukommen?“, fragt Lennard.
Hat er es immer noch nicht verstanden? Nach all den gemeinsamen Streifzügen durch Lilianas Welt noch immer nicht begriffen, worum es geht?
„ Ich dachte, wenigstens du würdest mich verstehen.“
„ Ich versuche es, Oskar. Ich versuche es wirklich.“
Versuche. Was helfen die ihm weiter? Er kommt sich vor wie ein bemitleidenswertes Kind, das sich die Knie aufgeschlagen hat. Er setzt sich auf den Ledersessel hinter dem Schreibtisch und öffnet seinen Laptop. „Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst.“
„ Aber du solltest jetzt nicht alleine sein.“
„ Ich bin nicht alleine. Gaby hat mich nicht verlassen, Lennard. Sie ist einkaufen. Nichts weiter.“
„ Bist du dir sicher, dass du ausgerechnet jetzt arbeiten willst?“
„ Ich melde mich, wenn es Neuigkeiten zum Manuskript gibt“, antwortet er. „Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich muss schreiben.“
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„ Beeindruckend, Herr Holstein. Wirklich beeindruckend.“
Oskar ist
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