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Der verschlossene Gedanke

Der verschlossene Gedanke

Titel: Der verschlossene Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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übernehmen kann.“
    „ Und sonst?“
    „ Hat ein Bier getrunken.“ Er nickt zu einem der Tische herüber. „Da drüben am Fenster.“
    Oskar dreht sich um, als könnte ihm allein der Blick in die richtige Richtung Aufschluss bringen. Doch noch während er die Neuigkeit verdaut, wird ihm klar, dass auch diese Erkenntnis ihm nicht weiterhelfen kann.
    „ Hat er irgendwas gesagt?“, fragt Oskar.
    „ Was sollte er gesagt haben?“
    „ Keine Ahnung. Irgendwas.“
    „ Und warum wäre das wichtig?“
    Oskar fällt keine Antwort ein. Er nimmt einen weiteren Schluck Bier.
    „ Wird Zeit, dass du dich mal entspannst“, sagt Barney. „Du wirkst total gestresst. Und Stress kann ich hier nicht gebrauchen.“
    „ Und sonst hast du keinen Stress hier? Für gewöhnlich, meine ich?“
    „ Wer Stress macht, der fliegt. Ganz einfach.“
    „ Und Lilli? Hat die Stress gemacht?“
    Er zieht sein Geschirrtuch vom Arm. „Ich wüsste nicht, warum das wichtig sein sollte.“
    „ Ist es auch nicht. Ich bin nur neugierig.“
    „ Wenn du es genau wissen willst. Lilli hat nie Stress gemacht.“
    Oskar nickt. Alles andere hätte ihn gewundert.
    Barney schiebt eine Schale Erdnüsse über den Tresen, während er nach Oskars leerem Glas greift.
    „ Noch’n Bier?“
    „ Warum nicht?“
     
     
    ________
     
     
    Er war sich sicher, dass der Taxistand nur eine Straße entfernt ist. Nach zehnminütigem Fußmarsch, der eher Torkeln als Marsch ist, stellt er fest, dass sich Sicherheit im betrunkenen Zustand anders definiert. Die Geräusche werden zu dumpfem Rauschen, die Straßenlaternen zu blassen Lichtern in verschwimmender Nacht. Dennoch gelingt es ihm, Schritte hinter sich auszumachen. Schritte, die noch vor wenigen Augenblicken nicht da waren.
    Am Pfahl eines Maschendrahtzaunes sucht er nach Halt. Die Schritte hinter ihm verstummen. Hat er es sich nur eingebildet? Er braucht ein Taxi. Sofort. Wie ist er überhaupt hergekommen? Das Interview. Ja. Lennard hatte ihn hingefahren. Vom Café, in dem das Gespräch mit dem namenlosen Reporter stattfand, bis zu Barneys Bierscheune waren es nur noch ein paar Hundert Meter. Er hatte nur einen kurzen Abstecher machen wollen.
    Wie viel hat er getrunken? Er verträgt keinen Alkohol, erst recht nicht auf nüchternem Magen. Und ein paar Erdnüsse zählen nicht als Mahlzeit.
    Er geht ein paar Schritte weiter, ohne die Finger vom Maschendraht zu lassen. Die Schritte hinter ihm werden wieder lebendig. Er will sich umdrehen, vergewissern, dass er sie sich nur einbildet, als die Einbildung mit einem kräftigen Schlag auf dem Hinterkopf zur Gewissheit wird.
     
     
    ________
     
     
    Der ehemals feuchte Lappen hängt schief auf seiner Schulter, als er aufwacht. Sie sitzt auf einem Stuhl neben dem Bett. Ihr Blick ist vorwurfsvoll, vor allem aber besorgt.
    „ Oskar“, flüstert sie. „Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.“
    Er stützt sich auf seine Arme und schiebt sich in Sitzposition. „Was ist passiert?“
    „ Lennard hat dich nach Hause gebracht.“ Sie hebt den Lappen auf und legt ihn auf den Nachtschrank.
    „ Lennard?“ Er versucht, sich zu erinnern.
    „ Er hat sich Sorgen gemacht, weil er dich nach dem Interview nicht auf dem Handy erreicht hat und hat dich dann vor einer nahe gelegenen Kneipe gefunden.“
    Sein Schädel brummt. Er spürt eine Beule auf dem Hinterkopf. „Ich habe Kopfschmerzen.“
    „ Du bist gefallen.“
    Langsam fällt es ihm wieder ein. Die Schritte hinter ihm. Der Schlag. „Nein“, sagt er. „Die Kopfschmerzen kommen nicht vom Sturz.“
    „ Du hast recht“, antwortet sie zynisch. „Sie kommen vom Saufen.“
    „ Nein, so war das nicht.“
    „ Willst du etwa behaupten, dass du nichts getrunken hast?“
    „ Doch schon. Aber darum geht es nicht.“
    „ Ich erkenne dich nicht wieder, Oskar. Nicht nur, dass du immer häufiger unterwegs bist, von nun an kommst du sogar betrunken zurück.“
    „ Ich wollte abschalten. Ein, zwei Bier. Nichts weiter.“ Er versucht, sich zu rechtfertigen. „Und irgendjemand ist mir gefolgt.“
    „ Sei nicht albern, Oskar. Wer soll dir gefolgt sein? Ein Fan?“
    „ Ich weiß es nicht.“ Die Wahrheit, zumindest den Teil der Wahrheit, der ihm bekannt ist, kann er ihr auch diesmal nicht anvertrauen. „Ich kann mich nur an Schritte hinter mir erinnern. Dann ein Schlag. Und dann … dann nichts mehr.“
    „ Aber wo wolltest du hin?“
    „ Zum Taxistand natürlich.“
    Sie taucht den Lappen in eine kleine Schüssel und

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